Lieblingsspiele

LieblingsSpiele

Wessi (1996)

Meine Nachbarin (1995)

Die Liebe kommt (1997)

Schrumpfköpfe (1997)

Ein Glas für Harry (1997)

Die Unvermittelbaren (1994)

Der Dreh (1994)

Hol dein Horn raus(1995)

Einfaches Ja (1993/97)

Heut bin ich da (1992)

Du bist da (1991)

Du (alte Fotos) (1995/97)

Noch ne Nacht (1996)

Das jüngste Gericht (1991)

 

LieblingsSpiele – Unveröffentlichtes und Auftragstexte

Daddy (soll kein Daddy hier mehr sein) (1996)

Worte (1996)

Zehn Wölfe (1997)

Schmargendorf (1997)

Die Strasse (1997)

Lied vom Schlot (1997)

WESSI

Erinnerst du dich an diesen lauen Sommerabend Mitte der Achtziger? Die Regierung fuhr in die Ferien, die Kirschbäume trugen, die Bauern bekamen ihr Ruhegeld aus Brüssel, die vier Stadttheater in jedem Marktflecken spielten noch für viermal vier Enthusiasten, die Selbsterfahrungskurse waren am Blühen, die Staus überschaubar – und jeder Arbeitslose traf sich mit seinem Sachbearbeiter vom Sozialamt und fand mit ihm einen Weg –

Oh Wessi,
du hast bessere Zeiten gesehn,
oh Wessi,
warum muß die Welt sich drehn?

Da konnten die Kinder noch auf der Straße spielen, freiwillig zwanzig, forever young. Aids kam in einem Märchenbuch vor aus der Bronx, ein netter Onkel auf einem Spielplatz war wirklich noch ein netter Onkel – da liefen die Fabrikanten mit Schildern durch Fußgängerzonen: “Habe gerade meine Produktionsabläufe erweitert, biete vierzehntes Monatsgehalt”. So um Weihnachten wurden immer noch Päckchen gepackt für die drüben, literweise Coke, – und was haben wir für tolle Grillfeste gefeiert mit unsern ausländischen Freunden, mit Hatice und Ali – da liefen noch richtige Liebeslieder im Radio, auf deutsch und mit Anspruch – und Wohnungen, mein Gott, Wohnungen: Brauchst du eine, ich hab zwei übrig?

Oh Wessi,
du hast die besten Zeiten gesehn,
oh Wessi,
warum muß die Welt sich drehn?

Jetzt ist das alles schon lange ein Märchen. Heute bekommst du Besuch von deinem Schwager aus Chemnitz. Der Hund fährt das gleiche Auto wie du. Zwei rostrote geleaste Opel Omegas – nur den Aufkleber: ’Mein Freund ist Ausländer‘, den hat der nicht. Du wirst mit ihm Holzkohle fahren holen fürs Grillfest, wirst ihn zur Montessori-Schule mitnehmen, die lieben Kleinen abholen, quer durch die von Nichtstuern geschüttelte Stadt, wirst ihm die elektronische Wegfahrsperre vorführen, die Nachtsichtbewachung am Haus – aber nichts davon wird ihn wirklich beeindrucken, denn neuerdings hat er das alles ja immer schon selbst – und trotzdem wird er nichts anderes tun als zu jammern darüber, wieviel schöner es früher war, in seinem Karl-Marx-Stadt…
Mein Gott, werden wir noch jemals so über‘s Feuer springen wie damals, mit Hatice und Ali – warum sind die eigentlich weggezogen?
“Nu, hätt man‘s anders gewußt, dann hätt man‘s jetzt anders”, sagt dein Schwager und erkundigt sich, ob Club-Cola im Haus ist…
“Nicht schneller ans Ziel kommen, aber entpannter” – wer hat das doch gleich gesagt? Björn Engholm? Margot Honecker? Oder stand das in diesem verdammten Prospekt?
Und kein Wort von Kreditüberziehung – ich bitte dich – besser tu so, als wär deine Welt wär eine Scheibe…
“Wir haben verstanden!”
Oh Wessi…

1996 © M. Maurenbrecher

MEINE NACHBARIN

Kühlbox, Olivenöl, Feile oder Wein,
täglich etwas Neues, was ihr fehlt,
ich bitte sie dann immer auf’n Kaffee herein,
und sie erzählt und erzählt und erzählt…

Ihr wahres Sein, das teile sich in Filmen mit,
wie in La Strada, aber nur im Original,
auf die Welt gekommen sei sie nur durch Kaiserschnitt,
und sie besitze künstlerisches Potential.

Sie sei sich sicher, daß sie mal berühmt sein wird,
sie entspanne gern bei einem Glas Chablis,
sie sei keine, die sich bei den Männern irrt,
was der Vater ihres Kindes nie verzieh.

Sie ist eine, die bewußt am Schweigen spart,
doch sie hat ‘ne zauberhafte Eigenart:

Meine Nachbarin hat süße Füße,
vielleicht die schönsten auf der Welt,
ich gäb ihr alles, was ich geben müßte,
und nicht nur das, was ihr grad fehlt.

Fuchsschwanz, Stichsäge, Hammer oder Beil,
wo ich kann, da helf ich gerne aus,
sie sagt, sie säße grad an nem ganz besonder‘n Teil,
und damit käme sie auch garantiert groß raus …

Eines Abends brauchte ich dringend mein Olivenöl zurück – ich faßte mir ein Herz – sie hatte mich nie zu sich rübergebeten. Aber diesmal mußte es sein: ich klingelte. Sie schien überhaupt nicht überrascht. Dieser merkwürdige Geruch in ihrer Wohnung, und diese Kälte…
Wortlos führte sie mich in ihr Wohnzimmer. “Sie dürfen es als erster sehen”, flüsterte sie, “da drüben steht es, mein Kunstwerk. Ist das ein Meisterstück? Viele, viele Mosaiksteinchen – ein neues Ganzes… Wenn ich vorstellen darf: Dieser Eisblock hier ist mein verflossener Mann. Der Mann, das Eis, der Block – Sie verstehen doch? Nur eines fehlt ihm jetzt noch, ist es das Herz, oder etwas Tieferes??”

Ich dachte: Lauf, so schnell du kannst, noch hast du’s in der Hand,
doch dann schaute ich zu Boden, als sie vor mir stand –

Und meine Nachbarin hat süße Füße,
vielleicht die schönsten auf der Welt,
ich gäb ihr alles, was ich geben müßte,
und nicht nur das, was ihr grad fehlt.

1995 © M. Maurenbrecher / Achim Ballert

DIE LIEBE KOMMT

Auf dem Weg zu den Spielen –
da steht ein Mann im Flur
mit dem Blick zum Telefon,
er kommt sich selber albern vor,
er weiß nicht: Soll er diese Nummer noch mal wählen?
Das Glück, es kam so nah,
und schon wird es fehlen.

Ja, die Liebe kommt sogar
mal zu dem, wo sie nie war,
doch die Liebe kommt bestimmt
nie zu dem, der sie sich nimmt.

Da sitzt ’ne Frau auf ’ner Schaukel
mit einem Brief in der Hand,
gut gebaute Abschiedsworte,
noch hat sie sie nicht abgesandt.
Und das Glück, es kam so nah –
auf dem Weg zu den Spielen.

Ja, die Liebe läßt sich gehn
nie für die, die sie erflehn,
doch manchmal legt sie sich still
neben den, der sie nicht will.

Auf dem Weg zu den Spielen,
in das Stadion aus Gefühlen…

Liebe, Liebe, Liebe –
und nach all den Worten kommt dann immer dieses eine Lied:
Na na na na na na na.

Die Liebe hält sogar die Wacht
über den, der sie verlacht,
doch danach legt sie sich leis
neben den, der gar nichts von ihr weiß.

Ah, die Liebe geht ganz laut
von dem weg, der auf sie baut,
doch hat sie sinnlos viel verschenkt,
wenn man gar nicht daran denkt.

1997 © M. Maurenbrecher / Achim Ballert

SCHRUMPFKÖPFE

Die Nachbarn mögen keine Schrumpfköpfe,
okay, sie ha‘m was andres vor.
Die ‘Grüne Linde‘ von Horst Tausendschön ist pleite,
zwei Dörfer weiter tagt ein Kirchenchor.
Na gut, du könntest von hier wegziehen,
doch warum solltest du?
Der Himmel steht noch immer oben,
ich weiß, du liebst das so…
Ich hab dich jahrelang begleitet,
du warst mit vielen und warst doch allein,
und du tust immer überrascht,
wenn man dich draußen auf den Feldern findet,
denkst, du mußt rennen, denkst, mußt schrein.
Kannst du dich einmal drüber freun, was dir die Augen blendet
in dem Versteck im Mittagssonnenschein?
Nur einer, der geschrumpfte Köpfe so bezaubernd findet
wie du –
und möchte bei dir sein.

1997 © M. Maurenbrecher

EIN GLAS FÜR HARRY

Er war ein stilles Kind,
nicht groß zum Anschaun,
und wo er hinkam, gabs
nie einen Ansturm.
Die Mutter rief: Mein Sohn,
du müßtest etwas aus dir machen –
er sagte: Mutter, ich versuchs ja schon,
doch find ich‘s nicht so sehr zum Lachen.

So zwingt das Leben oft
zu übertriebner Härte,
wer dem zu fliehen hofft,
der ist auf schmaler Fährte.
Gibt wohl nur einen Trick,
ein Leben lang als Kind zu fühlen:
Man wird ein Bühnenmensch
und muß Erwachs‘ne dann nur spielen!

Ein Glas für Harry
und die Wunder dieser Welt.
Du greifst zum ersten,
weil dir‘n kleiner Antrieb fehlt,
beim zweiten denkst du,
daß du jetzt groß bist und ein Held,
doch du weißt genau, am schönsten wird‘s erst nachher,
wenn man fällt und fällt und fällt.

“Sagen Sie, diese immense Leistung heute abend, und
diese überaus kohärente Interpretation, die Sie da
gerade wieder…” – Mmmh, ucks, emm…” –
In Deutschland sind Sie doch weltberühmt,
kann man sagen, nicht?” –
“…tja!” – “Und wie
behalten Sie eigentlich Ihre ganzen Texte?” –
Na, in dem kleinen Kopf hier. Der ist übrigens leer…” –
Ihr Kopf ist leer, sagen Sie?!” – “Herrlich leer.
Aber zufällig weiß ich genau,
was da jetzt noch reinpaßt, upps….”

Ein Glas für Harry…

Ich war ein stilles Kind,
nicht groß zum Anschaun,
und wo ich hinkam, gabs
nie einen Ansturm.
Ich hör die Mutter noch,
sie gab mir Ratschläge fürs Leben –
tja, wie die Menschen eben sind,
was soll‘n sie einem andres geben?

Ein Glas für Harry
und die Wunder dieser Welt.
Du greifst zum ersten,
weil dir‘n kleiner Antrieb fehlt,
beim zweiten denkst du,
daß du jetzt groß bist und ein Held,
doch du weißt genau, am schönsten wird‘s erst nachher,
wenn man fällt und fällt und fällt.

1997 © M. Maurenbrecher

DIE UNVERMITTELBAREN

Sie haben Schwerin schon genommen,
sind auf dem Weg nach Kiel,
wie übernacht gekommen,
nur im Süden ist die Lage stabil.
Keiner weiß genau, was sie wollen,
keiner weiß genau, wer sie sind,
sie errichten Straßenkontrollen,
und keiner weiß, wo die Front beginnt.
Man sagt, sie gehorchten Befehlen,
würden versorgt aus der Luft,
wer sie antraf, wird nichts mehr erzählen –
man nennt sie Piraten der Kluft.

Die Unvermittelbaren
und die unvermittelt waren,
sind ganz unvermittelt da.
Cha cha cha.

Aus den Ämtern tragen die Boten
Tonnen von Gleitzeit raus,
und Putzfrauen binden die Knoten
aus rotgrünschwarzen Schlipsen zum Strauß.
In den U-Bahn – Schächten wie Fliegen,
in Kasernen, die Fahne im Blick
sackt alles weg, muß erliegen,
die Regierung weicht südwestlich zurück.
An den Schaltern heißt es: Kann dauern,
das Datennetz wurde zur Gruft,
Stille ist und ein Lauern
auf die Piraten der Kluft.

Die Unvermittelbaren
und die unvermittelt waren,
sind ganz unvermittelt da.
Cha cha cha.

Welche Kraft treibt sie an zum Gewinnen,
ist es Feindlichkeit oder Lust?
Mein Friseur sagt mir: Kein Entrinnen,
das ha‘m wir doch schon immer gewußt…“
Systemveränderer pflanzen
in ihre Caravans den Apfelbaum,
Geld transferieren und tanzen,
Gefrierbilder, Volk ohne Raum.
Im Südwesten nennt man‘s Entartung,
doch hier in dem fremden Duft
ist die Luft nur noch voller Erwartung
auf die Piraten der Kluft.

Die Unvermittelbaren
und die unvermittelt waren,
sind ganz unvermittelt da.
Cha cha cha.

1994 © M. Maurenbrecher / Achim Ballert

DER DREH

Charlotte trägt den Pelz bei Hitze
und wählt als Standpunkt vis a vis –
“Weil ich gleich friere, wenn ich schwitze,
ich kenn die Leidenschaft”, sagt sie.
Ihrem Freund Horst war das zu gefährlich,
hat jetzt in Anklam ’nen CD – Verleih.
Charlotte sagt: “Die Menschen sind im Grunde ehrlich,
vielleicht ist das ja grad der Dreh dabei.”

Charlottes Neuer denkt politisch,
er legt sie manchmal übers Knie:
“Denn nur wer Opfer war, wird kritisch”,
das war sein erster Spruch für sie.
Doch als sie selbst ihn mal zur Frau nahm,
da war ihm schon nach Polizei –
Charlotte sagt: “Die Menschen sind im Grunde grausam,
vielleicht ist das ja grad der Dreh dabei.”

An einem Sommertag in Anklam,
zwei Männer schlendern Hand in Hand,
da sagt der eine, der grad eben ankam:
“Schön ist das Leben auf dem Land!”
Charlotte, Welten in sich spürend,
ging leise weg, und ihr war leicht und frei –
sie sagt: “Die Menschen sind im Grunde rührend,
vielleicht ist das ja grad der Dreh dabei.”

1994 © M. Maurenbrecher /Achim Ballert

HOL DEIN HORN RAUS

Rudi ist da,
hat nur gelacht,
hat grad sein Auto um die Ecke gebracht,
er sagt, die Schulden – turmhoch,
sind sein Kredit heut nacht.
Seine Frau Cindy,
die sitzt zu Haus,
probiert Computer als Fernseher aus.
Rudi sagt: Kinder, heut hau ich drauf,
sonst wird kein Leben draus!“

Hol dein Horn raus,
mach‘s heute nacht,
laß die Sehnsucht frei,
hol dein Horn raus,
mach uns den Krach,
jag das Einerlei
und jag die Zeit mit dabei!

Rudi war Melker, immer mit Schuß,
später Verteter mit viel Genuß,
seine Frau Cindy sagt: Turmhoch
bläst dieser Mann den Blues.“

Hol dein Horn raus…

Rudi wird alt, doch seiner zeitlosen Kunst
sind ein paar Damen noch treu.

Hol dein Horn raus,
machs heute nacht,
jag das Einerlei.
Hol dein Horn raus,
mach uns den Krach,
laß die Sehnsucht, laß sie frei,
und jag die Zeit mit dabei!

1995 © M. Maurenbrecher

EIN EINFACHES JA

Ein einfaches Ja
flog im Maiwind vorbei,
sah im Fliegen uns zwei,
und schon war es da.

Ein einfaches Ja
zwischen Angel und Tür,
wir konnten beide nichts für,
doch es war wunderbar.

Dieses einfache Ja
macht die Lippen so leicht,
macht die Augen ganz klar –
man weiß nicht, was es ist,
doch spürt man‘s gleich…

Nur, das einfache Ja
ist ein reisendes Wort,
es klemmt sich zwischen die Zähne,
wenn man‘s nicht ausspricht,
fliegt es fort…

Kommt der Maiwind, paß auf,
manchmal ist es ganz nah,
es hockt am Fenster zum Garten,
das einfache Ja.

1993 / 97 © M. Maurenbrecher

HEUT BIN ICH DA

Das, was er sagt,
wenn jemand fragt:
“Wozu die Reise”,
ist nicht das, was er weiß,
er sagt bloß: “Ja,
heut bin ich da.”

Die Heimatstadt ist kaum wie damals,
steilgraue Häuser umstehn die kleine Burg,
er zahlt die Fahrt mit kaltem Schweiß
und starrt zu oft auf junge, kleine Münder,
zu fix, zu fertig für den Greis.

Das, was er sagt,
wenn jemand fragt:
“Wozu die Reise”,
ist nicht das, was er weiß,
er sagt bloß: “Ja,
heut bin ich da.”

Er geht den Weg hoch zu der alten Schule,
sein Lieb von damals reißt sich aus dem Kreis.

Das, was er sagt,
wenn jemand fragt:
“Wozu die Reise”,
ist alles, was er weiß.
Er sagt bloß: “Ja,
heut bin ich da.”

1992 © M. Maurenbrecher

DU BIST DA (UND WIRST 3)

Heut vor zwei Jahren und wärmer als heut,
und auf meinen Haaren noch kaum Grau gestreut,
in einer Bar namens Moskau‘ nachts um halb drei
zurückgelehnt glücklich, im Ohr dein Geschrei.

Du warst da.
Einer, der grad ankommt hier.
Einer, der sich umschaut hier.

Rasante Landung, auf die Blutbahn und raus,
Ende der Fahndung, oh, wie sahst du aus?
Noch von drinnen ganz glitschig, man kann‘s kaum verstehn,
Wolln mal sehen, was hier los ist‘, so hast du geschrien

und warst da.
Einer, der sich umschaut hier.
Einer, der was anfängt hier.

Willkommen in dem alten Chaos,
siehst du: Die Bude ist voll.
Komm mal mit und schau, wer da ist,
hörst du? Die freun sich wie toll!

Gackgack und Bugak und Teddy und Pferd
warten alle schon im Garten, die ha‘m die Nachricht gehört,
wünschen Herzlichen Glückwunsch, und die sind nicht verrückt,
denn was du anfaßt, das lebt ja, also schieb uns ein Stück.

Du bist da.

Jetzt sagt‘s der zerbrochene Spiegel
und der Rest von dem Regal, das grad noch ganz war,
und dies Lachen wie mit Wind und Flügel:
Klar bist du da!
Jetzt sagen‘s deine schnellen Augen und der müde Blick
von Mama und Papa,
die jetzt wissen, was sie wirklich taugen:
Klar bist du da!

Was da tickt, ist ne Uhr, und die hängt an ner Schnur,
und da drunter steht ein Wassereimer, und wenn die da reinfällt,
ist der Opa plötzlich ganz komisch.
Also laß den Kram endlich liegen, hör mit der Kreissäge auf,
hol deinen Stuhl aus der Küche – und dann setz dich da drauf.
Du bist doch heut das Geburtstagskind. Wir warten!
Oh, paß auf mit der Fensterbank – Vorsicht!

Was da schwimmt, ist ne Uhr, was da fließt, ist die Zeit.
Daß deine Unruh dir bleibt, das wünsch ich uns heut.

1991 © M. Maurenbrecher

DU (Alte Fotos)

Du trugst Schwarz in Bremerhaven
und ein weißes Hochzeitskleid.
Du, du kennst die Angst vor Strafen
und das Glück aus Unerfahrenheit.

Du im Flüchtlingstreck aus Beuthen
mit dem Kopf in Bobbies Schoß,
du auf dem Ball der Pharmazeuten
und auf einem Isarfloß.

Klar, das Leben malt uns Bilder,
und ihr Wert steigt mit der Zeit.

Du im Borgward Isabella
mit dem Nachbarn, der verschwand,
du mit Kind im Luftschutzkeller
und vergnügt in Disneyland.

Der eine schmeißt weg, was der andere verwendet,
der eine verehrt, was der andere schändet,
für die einen ist dunkel, was die anderen blendet,
und der eine fängt an, was der andere beendet.

Du, es ist doch nichts vergebens,
darum mach dich nicht so klein!
Du, das Suchen deines Lebens
soll ein Weg für andere sein.

1995 / 97 © M. Maurenbrecher / Achim Ballert

NOCH NE NACHT ( ONE MORE NIGHT )

Noch ne Nacht, die Sterne sind erwacht,
mir steht das Unglück im Gesicht,
ach, der Mond, er kommt so schnell,
alle Dinge macht er hell,
doch auf mich fällt heut nacht kein gutes Licht.

Es ist traurig und ist schwer,
meine Liebste will nicht mehr,
wie sie mich wollte, war ich leider nicht.
Also schau ich hoch empor
zu dem dunklen Wolkenchor,
doch auf mich fällt heut nacht kein gutes Licht.

Ich hab mich so verrechnet, als ich dachte, sie sei treu,
was verliebten Frauen möglich ist, war mir wirklich neu!

Noch ne Nacht, bis daß der Tag erwacht
will ich zusehn, wie der Wind die Zweige bricht.
Ich vermiß den Darling so,
ohne sie werd‘ ich nicht froh,
doch heut nacht fällt auf mich kein gutes Licht.

Noch ne Nacht, der Mond macht alles wach,
und auch mich allein hier unten schont er nicht.
Also schau ich hoch empor
mit dem warmen Wind im Ohr,
doch auf mich fällt heut nacht kein gutes Licht.

Ich hab mich so verrechnet, als ich dachte, sie sei treu,
was verliebten Frauen möglich ist, war mir wirklich neu!

Noch ne Nacht, bis daß der Tag erwacht
will ich zusehn, wie der Wind die Zweige bricht.
Ich vermiß den Darling so,
ohne sie werd‘ ich nicht froh,
doch heut nacht fällt auf mich kein gutes Licht.

1969 © Bob Dylan / Deutsche Fassung 1996 M. Maurenbrecher

DAS JÜNGSTE GERICHT

Entschuldigung – ich glaub, ich hab mich in der Tür geirrt.
Ja nee, ich seh ja, hier ist ne Fete im Gange, und ich will wirklich nicht stören.
Ja, hübsch – ihr tragt hier drin alle Flügel… ich mein: Flügel in so‘nem kleinen Zimmer, ist es nicht ein bißchen eng dazu hier drin und heiß? Könnt ihr denn damit hier drin überhaupt fliegen?
Was sagst du? Das Leben ist voller Überraschungen – das hast du sicher recht. Was‘n das da? Ist das ein Aschenbecher? Was soll ich denn mit dieser kleinen Kugel, wieso gibst du mir die in die Hand? Was sagst du? Das ist – die Welt, das kleine Ding hier!? Wenn ich das jetzt also zerdrücke oder wegwerfe, dann…
Ihr seid ja wirklich gut drauf hier auf eurer Fete. Ich mein, es könnt ’n lustiger Abend werden, leider hab ich schon was vor…
Aber hör mal, dieser alte Typ da hinten, den hab ich doch schon irgendwo gesehen? Was macht‘n der da dauernd? Hat der ne Klatsche oder was? Fummelt da ständig mit so ner Glocke rum, was will‘n der? Jetzt kommt der auf mich zu. Na ja gut, okay, wenn dem so viel daran liegt, dann läut ich halt selber mal damit, gib schon her: Bim bam bim bam!! Zufrieden!?
Na, kein Grund, so aufgeregt zu gucken – man muß alles mal mitgemacht haben im Leben. Ist jedenfalls meine Devise.
So, und jetzt noch viel Spaß auf eurer Fete. Wo war hier gleich die Tür?

1991 © M. Maurenbrecher

DADDY (soll kein Daddy hier mehr sein)

Sie wird gleich wach am Morgen, springt zum Bett hinaus,
sieht in ihrem Nachthemd so verwuschelt aus.
Sie wünscht sich einen wunderschönen Tag
und spielt mit dem Licht
der Sonne im Gesicht.

Sie fragt Mama gleich beim Frühstück: “Heute kommt er doch?”,
und Mama sagt nur: “Träum jetzt nicht”,
und die nervöse Art von gestern hat sie immer noch.
Da ist etwas gescheh’n –
wie kann sie es verstehen?

Daddy soll kein Daddy hier mehr sein.
Sie hat ihn viel zu lieb, um das zu glauben,
und spielt mit dem Licht der Sonne im Gesicht.

Nach der Schule sieht sie ihn am Torweg stehn
und rennt für einen langen Kuß.
Da hupt Mama schon vom Parkplatz, und er sagt: “Du mußt verstehn,
ich hab es nicht gewollt,
keiner trägt die Schuld!”

Daddy soll kein Daddy hier mehr sein
Sie schaut ihm nach im Lärm von Mamas Auto,
und er weint mit dem Licht der Sonne im Gesicht.

In der Küche sagt Mama: “Hab dich jetzt doppelt lieb…” –
doch sie hört nichts mehr,
der eine Stuhl blieb leer.

Daddy soll kein Daddy hier mehr sein.
Daddy soll kein Daddy hier mehr sein
Sie hat ihn viel zu lieb, um das zu glauben,
und spielt mit dem Licht der Sonne im Gesicht.

Sie hat ihn viel zu lieb, um das zu glauben,
und weint mit dem Licht der Sonne im Gesicht.

© Frühjahr 96, für Kim Merz

WORTE

Worte
sind die Retorte
für ein altgeword’nes Kind
Worte
das sind die Orte
die verlassen worden sind

Sprache ist das Flugzeug das vom Radarschirm verschwindet
Sprache ist das ungelöschte Schiff das keinen Hafen findet

Worte
sind die Eskorte
beim Staatsbesuch der Stille
Worte
was sind schon
Worte

© Sommer 96, mit Achim Ballert (für das ‘Landhaus’-Stück)

ZEHN WÖLFE

Über die Oder sind neulich zehn Wölfe gekommen,
das Packeis hat sie mit rüber genommen,
und der erfahrenste der Bande, der sagte: “Berlin,
das liegt hier ganz in der Nähe, da gehn wir hin!”

Den ersten, den hats schon in Werneuchen erwischt,
da lag ‘n Besoffener in ‘ner Kneipe quer über den Tisch,
der hat in seinem Leben so ziemlich alles versäumt,
er sah die Wolfsaugen funkeln und hatte endlich einen Freund.

Der zweite, der blieb in einem Ort namens Ahrensfelde,
da lebt ‘ne Frauenbeauftragte, die geht nachts manchmal raus in die Kälte,
sie sah das Rudel kommen, nahm sich den schärfsten, wie man leicht errät,
und rief: “Ach, solch ein süßes Exemplar von Tier, das sogar noch unter Naturschutz steht…”

Der dritte hält sich auf im Zentrum von Hellersdorf bis heute,
da lag ‘ne junge Dogge an ‘ner Kette von einem öffentlichen Gebäude,
die knurrte süß: “Hier dieses Bürgerzentrum, das nenn ich mein,
jetzt beiß dich ein in mein Genick, dann soll es auch bald deines sein…”

Der vierte fand sein Schicksal direkt hinterm Roten Rathaus
nach einer Sitzung des Senats, die Würdenträger kamen aufgeräumt heraus,
und der Innensenator, gar nicht faul, der tat nur einen knappen Pfiff,
er wußte das ganz instinktiv: Echte Wölfe haben Schliff…

Daß der fünfte Wolf in Lichtenberg bald seine Heimat fand,
und der sechste dann in Kreuzberg, das steht auf jeder Graffitiwand,
wie sie sächische und schwäbische Widerständler gerne schreiben,
gemischt mit guten Kampfhunden wird die Rasse lange bleiben.

Interessanter ist da schon, wie es dem siebenten erging,
nicht Zuhälter, nicht Drogenfahnder – da war keiner, der ihn fing,
er war ein starker Wanderer, stieg durch den Wedding hoch nach Tegel
und lebt vom Feierabendstau, das hält ihn frisch und kregel.

Die Nummer acht, die einmal eine scheue Wölfin war,
wurd’ in den Villen Grunewalds begehrter One-Night – Star
und zog auch mal den Stadtring hoch, dreht mit der Sieben eine Runde:
die Kinder dieses wilden Traums, so süße kleine Hunde…

Die Neun, die kam direkt ans Ziel, stieg in ein Taxi ein
und fuhr ohne ein weiteres Wort zum Freunde-Berlins-Förderverein,
ließ sich dort feiern als archaische Modernität und digitalisieren
und soll demnächst, wenn nicht das Stadtwappen so doch das Holocaust-Denkmal zieren.

Ich selbst, ich leb schon immer in dieser Stadt, kann sein, es ist mein Wille,
ich schau aus meinem Nachtfenster raus und glaub nicht an die Stille,
ich hör die Pläneschmieder röcheln und ihre Spötter fauchen –
komm her, mein zehnter kleiner Wolf, ich glaub, ich werd dich brauchen!

© Januar 97

SCHMARGENDORF

MM: Jede Stadt hat ihr geheimes Zentrum, Köln sein RTL und Kiel sein Hafenbecken. Berlin hat seine 23 Bezirke, und die wären alle lieber jeder ganz für sich allein.
Und deshalb stolpern Jahr für Jahr immer neue Generationen von jungen Asylsuchenden, die sofort echte Berliner sein wollen und aus dem Münsterschen, Badischen, Thüringischen, aus den abgelegensten Geländen Europas hier eintrudeln (sogar ein paar Holländer sollen sich manchmal verirrt haben) zwischen den zahllosen Bezirksgrenzen hinundher und suchen das Zentrum der Stadt.
Wo zieht es die Einwandrer hin?

BB: Erstmal nach Kreuzberg natürlich. Und von da ganz schnell weiter nach Prenzl-Berg…

H.E: Oh, nööö… Mir hat mal jemand gesagt, in Lichtenberg soll es abgehen…

BB: Der Ex-Freund von meiner Schwester lebt in – Charlottenburg…

H.E.: Charlottenburg? Mann, ist das lange her.

BB: Moabit? Wedding? So viele täuschend bunte Namen…

H.E.: Und dann gibts ja immer noch Mitte…

BB: Ätsch – weitersuchen…

MM: Nein – der Diamant dieser Stadt – was die Metropole überhaupt erst zu einer gemacht hat, ihr geheimes Zentrum, und nicht der mediengerechte Schorf –
das ist Schmargendorf!
Mit seiner mittelalterlichen Kitschburg als Rathaus –
Schmargendorf, mit seinem original Schmargendorfer Prominenten-Gasthaus,
Schmargendorf, mit dem widerlichsten Paketpostamt der nördlichen Hemisphäre,
Schmargendorf, mit einer Geschäftsstraße aus nichts als Nepp, längst abrißreif, wenn sie nicht die einzge wäre…

Als die ganze Gegend hier noch ödes Brachland war,
da war der Wilmersdorfer meist besoffen, doch der Schmargendorfer sah schon klar:
Er baute sich sein Riesenrathaus mitten in die Felder,
drumrum war noch die Schweinejagd und alles voller Wälder,
er zimmerte ne Pommesbude, hier könn’ Familien Kaffee kochen,
es gab noch keine Grunewald-Villen, da hat er sie schon gerochen
und knallte seine Vorstadt hin, mordshäßlich und mordsteuer,
und sprach: Es lebe der Ordnungssinn, und die Hundesteuer!

B.B: Hör’n Sie mal, das ist aber mein Parkplatz, oder vielmehr der von meiner Frau…

H.E: Aber ich wohn doch auch hier im Haus…

B.B: ..seit dreieinhalb Jahrzehnten!

H.E: … na, solang noch nicht, aber ein paar Jährchen sind’s schon…

BB: Seit dreieinhalb Jahrzehnten parkt meine Frau hier an diesem Platz direkt vor der Tür. Und ich immer direkt dahinter. Wer sind Sie überhaupt?

H.E: Ich bin doch Ihr Nachbar. Seit gut zwei Jahren.

B.B.: Und da glauben Sie, nur weil wir jetzt auch den ganzen Osten mit auf’m Hals haben, können Sie hier mal mir-nichts-dir-nichts die Parkordnung ändern? Lassen Sie sich doch von der Wege-Aufsichtsbehörde einen Platz zuteilen, wie wir alle hier im Viertel…

H.E: Zu-tei-len? Und was für ‘ne Behörde?

B.B.: Seit wann, sagten Sie gerade, wohnen Sie hier schon?

H.E. Knapp zwei Jahre…

B.B: Na, dann sind Sie ja aus der Probezeit auch noch lange nicht raus, junger Mann! Da seh ich wirklich schwarz für Sie mit einem eigenen Parkplatz…

MM: Wenn ich mal keinen Appetit hab auf ‘ne osteuropäische Satelitenstadt,
und der Dachterrassen-Leerstands-Chick langweilt mich ins Grab,
und die unmodernisiertesten Hinterhöfe bringen mich zum Gähnen,
die ganze Baustellenromantik will ich nicht nochmal erwähnen –
dann weiß ich doch diesen geheimen Ort, um den sich niemand reißt,
an dem sich nichts bewegt, und um den doch alles kreist,
charmant wie Reda-Wiedenbrück, und von der Wirklichkeit entfernt nur einen Steinwurf:

Das ist mein
Schmargendorf
Schmargendorf
Schmargendorf

© Januar 97 für ‘Mittwochsfazit’

DIE STRASSE

Manchmal früh im ersten Blau
weiß ich ganz genau:
das, was grad geschieht, ist schon gewesen.
Straßenstaub und Morgentau,
weit weg von zu Haus,
gerade alt genug, um frei zu reisen.
Ein Wagen hält bei mir,
ich steig einfach zu,
der Fremde neben mir,
und weil er schwieg,
sah ich die Straße
steil, pfeilgrad
unter mir verschwinden,
Häuser wie verweht, da war kein Ziel,
sah die Straße steil, pfeilgrad unter mir verschwinden,
gab mir dies Gefühl,
daß ich weiter will,
daß ich weiter will.

Manchmal früh im ersten Blau
weiß ich ganz genau:
Ich hab geliebt, um nicht zu hassen.
Du hast mich gut gekannt,
Wächter meiner Nacht,
wir war’n oft wie verbrannt,
doch wenn du schliefst, sah ich die Straße
steil, pfeilgrad
unter mir verschwinden,
Schwüre, die verweh’n, da war kein Ziel,
sah die Straße steil, pfeilgrad,
konnte nichts empfinden,
bis auf dies Gefühl,
daß ich weiter will.

Jetzt bin ich zehnmal im Kreise,
ich weiß, du wartest zuhause,
neben mir dieser Fremde,
jung wie ich damals –
Schweigsamer Träumer…

und die Straße steil, pfeilgrad
unter mir verschwindend,
Jahre wie verweht, da war kein Ziel.
Seh die Straße steil, pfeilgrad,
will nichts weiter finden,
nur dieses Gefühl,
daß ich weiter will.

© Frühjahr 97, mit Gerulf Pannach – für Veronika Fischer

LIED VOM SCHLOT

MM:
Da steht ein Hinterhaus, tief in der City,
du findest Lofts darin, weiß, leer und pretty,
wenn du das Geld für hast, kannst du dort wohnen,
wenn dir Gefahr gefällt, dann wird sich’s lohnen.-

HE:
Siehst du die Frau dort am Balkon mit den zerschrammten Beinen?
Sie ist längst weg über den Schreck, hat aufgehört zu weinen,
sie sagt: “Ich weiß nicht, wie’s geschah, da kroch was an mir hoch,
spätnachts, kein Mensch war da – na ja, ich lebe noch…”

BB:
Was war es, was dieser Dame kurz nach ihrem Einzug in den luxusmodernisierten ersten Stock des Seitenflügels geschehen ist? Was konfrontierte sie in diesem alten Haus so urplötzlich mit einer finsteren Vergangenheit?

Alle:
Wer kommt erst nach dem Abendrot,
wer macht die Steigeleitung tot,
wer frißt das leckre Abendbrot,
das grad ein Single seiner Liebsten bot –
die Geister vom Schlot. –

Wer bringt die Balken aus dem Lot,
wer steckt die Nadeln in das Brot,
wer macht in diesem Haus zur Not
nicht nur Handys und Computer tot –
die Geister vom Schlot…

HE:
Hey Bov, aufstehen! Es ist gleich Mitternacht!

BB:
Ach komm, gib Ruhe. Jeden Abend spuken. Lassen wirs heute mal ausfallen! Einfach faul im Sessel rumliegen – du redest doch immer von sowas…

HE:
Du weißt genau, daß ich eigentlich ganz anders bin.

BB:
… gewissenhaft und pflichtbewußt, logisch…

HE:
Genau! Und deshalb ist dieser Job als Gespenst auch genau das Richtige für mich. Regelmäßige Arbeitszeiten. Immer was Anregendes zu tun. Bißchen SM-Action auch. Und sinnvoll für die Gemeinschaft ist es außerdem.

BB:
Wo ist eigentlich John? Kann der das Spuken nicht heute mal übernehmen?

HE:
John joggt. Nein: Er mißt die neue Marathon-Strecke aus.

BB:
Er macht – was?

HE:
Du weißt doch, John hat nach dem alten Schlot noch fünf weitere Schlots aufgemacht, jedesmal verjagten ihn die Stadtplaner, jedesmal hat er eine Gespenster-Truppe gebildet, und jetzt will er den nächsten Berlin-Marathon um all diese Kneipen herumführen. Der ‘Schlot-Auflauf’. Tolle Vermarktung. Und dafür joggt er gerade.

BB:
Was es nicht alles gibt… Na gut, fang’ wa an…

Alle:
Wer macht die Langeweile tot,
wer färbt dir deine Wangen rot,
hält wach dich bis zum Morgenrot,
daß du den Tag vepennst zur Not –
die Geister vom Schlot…

MM:
Ein neues Lebensgefühl ist entstanden! Ab einer bestimmten Einkommensgrenze ist es ultraschick geworden, in Bauten zu wohnen, wo man von den alten Hausgeistern so richtig zur Sau gemacht wird… Also, hier wären wir. Schauen Sie sich ruhig gründlich um, meine Herrschaften: Dieser kalkweiße, leere Raum war bis vor kurzem noch eine sogenannte Jazzkneipe, eine Kunstfabrik, so nannten das die Leutchen damals. Stellen Sie sich das Ganze mal voller Menschen vor – nachts, es ist eng, laut und stickig… Nicht ganz einfach bei einem so nüchternen Besichtigungstermin, zugegeben… Aber Sie werden es erleben…

Alle:
Wer kommt erst nach dem Abendrot,
wer macht die Steigeleitung tot
und frißt das leckre Abendbrot,
das grad ein Single seiner Liebsten bot –
die Geister vom Schlot.. –

Wer schmiert das rote Gift aufs Brot,
daß du rumtanzt wie ein Vollidiot
vom Abend- bis zum Morgenrot –

die Geister vom Schlot.

© Sommer 97, für ‘Mittwochsfazit’