NoGo

No Go

Welt am Durchdrehn

Das ist Kunst

No Go

Vorher

Naumburg

Einer von den 50 Helden

Die Kraft zu verzeihn

Paradies Rüdi

Mond aus Papier

Helles Land

Staubiger Staub

No Go – Unveröffentlicht

Anfänge

Wissen ist vergessen

Welt am Durchdrehn

Die Welt ist am Durchdrehn,
die alten Wege kann man schon nicht mehr gehn.
Die Welt ist am Durchdrehn, schau in den Himmel,
außer rasenden Wolken ist grad gar nichts zu sehn.

Die Welt ist am Durchdrehn,
und die Erklärungen dafür haben, sind die, die‘s am wenigsten verstehn.
Die Welt ist am Durchdrehn, schau auf den Boden,
wie die Räder sich in den Feuchtsand reindrehn.

Es ist Vollmond heute,
herzzerreißendes Ende,
zentrales Feuerwerk,
gib nochmal deine Hände.
Eine Vollversammlung da draußen,
unglaublich Viele gekommen.
Wenn du fragst, wo die her sind:
das Meer durchgeschwommen.

Die Welt ist am Durchdrehn,
gottseidank, mit den meisten Augen ist sie gar nicht richtig zu sehn.
Die Welt ist am Durchdrehn,
gottseidank, mit den meisten Ohren hört man es nicht so, dies Flehn.
Die Welt ist am Durchdrehn,
die vielen Kinder, die sind wohl ein‘ Moment später schon tot –
keine Sorge, es kommen neue zum Verspekulieren. Man sagte früher mal:
sie wird entweder lebendrot sein oder totrot.

Und es ist Vollmond heute,
herzzerreissendes Ende,
wie ein Gottesdienst da draußen,
nimm nochmal meine Hände.
Eine Vollversammlung da draußen,
die im sicheren Gemäuer
sprechen ihre Beschwichtigungsformeln,
sind sich selbst nicht geheuer.
Und die Welt ist am Durchdrehn.

Die Welt ist am Durchdrehn,
was totsicher war, wirkt so wie Abriss, nur noch so wie ein Versehen.
Die Welt ist am Durchdrehn,
nimmt plötzlich Fahrt auf, verschwindet mit den ganz Vielen
und lässt, wer nicht aufsprang, in einer Staubwolke einfach stehn.

Und es ist Vollmond heute,
herzzerreissendes Ende,
zentrales Feuerwerk.
Gib nochmal deine Hände…

Text & Musik: M.M.

Das ist Kunst

Ich nehm mein Tablett,
mal darauf eine Fratze,
dann kriegt die’n Schwanz,
schon isses ne Katze.

Das ist auch Kunst.
Was ich so nebenbei mach,
wenn ich ne Auszeit brauch im Büro,
mich vom Bildschirm mal frei mach.

Ich stell mein Iphone auf Mute,
such mir das App Okarina,
blas sanft hinein, es macht tut,
ich bin im uralten China.

Das ist auch Kunst!
Wie in den Tönen ich schwimme,
im Ruheraum nebenan, die Praktikantin
kommt vorbei und singt mit mir zweite Stimme.

Mir fällt andauernd was ein,
wenn ich Nerven hab, post ichs,
muss ja nicht gleich’n Roman sein,
irgend’n abgefahrenes Zeugs zwischendurch, gar nichts Großes,

aber irgendwie isses auch Kunst!
Nur, ich fang deshalb kein Geschrei an,
mein kreativer Output fällt während der Arbeit
und quasi wie nebenbei an.

Großmutter sagte immer: „Junge, du kommst durch alle Türen,
aber teil dir deine Kräfte gut ein,
du kannst frühmorgens Lover, spätabends Dichter,
aber tagsüber musst du knallhart und aalglatt und beides gleichzeitig sein.“

Das ganze Leben ist Kunst,
kein Grund, dass man deshalb Wind macht.
Ich hab früher sogar andern richtig was bezahlt
für das Zeugs, dass ich jetzt runterlad oder selbst blind mach.

Jetzt hab ich gehört, da is’n Typ,
der führt mich vor, das ist seine Masche,
der zeigt z.B., wie ich Okarina spiele im Ruheraum
und dabei die Praktikantin vernasche.

Na, ich glaub, den Typ kauf ich mir mal,
der kriegt erstmal ne Abmahnung,
und dann setz ich Klage auf wegen Persönlichkeitsraub,
als Anwalt hab ich von sowas Ahnung.

Ich schau‘s mir an: Und tatsächlich, da ist das Grafiktablett,
und ich zeichne tatsächlich ne Fratze,
und der zeigt es allen, es sieht ziemlich echt aus,
ich denk höchstens: Irgendwann schaffste auch mal ne echt aussehende Katze –

aber das ist doch keine Kunst,
das doch ganz klar mein Leben.
In einer andern Welt müsste dieser Typ mir nicht nur Schmerzensgeld,
sondern sein Leben geben!

Großmutter sagte immer: „Junge, du kommst durch alle Türen,
aber teil dir deine Kräfte gut ein,
du kannst frühmorgens Lover, spätabends Dichter,
aber tagsüber musst du knallhart und aalglatt und am besten beides gleichzeitig sein.

Und das ist die Kunst,
das ist die Kunst“, hat Großmutter immer gesagt.
Das ist die Kunst, und nichts anderes.
So, wolln mal sehn. In dem Prozess setz ich mal vier Millionen Schmerzensgeld ein. Mal schaun, wie weit das trägt…

Text & Musik: M.M.

No Go

Ein Mann mit Behaarung,
eine Frau mit Konflikten,
ein Morgen ohne Workout,
ein Abend ohne Ganzkörperaction:
das ist No Go,
ein absolutes No Go,
dein Urlaub ist zu kurz dazu,
das Leben ist kein Streichelzoo.
Du sagst, ein Lover mit Stress in den Genen ist ein Grund, dass du weinst.
Komm mit in die Kolonien, Baby,
ich weiß, was du meinst.

Partnertausch ohne Flatrate,
ein Hotelstrand ohne Männerstrip,
müdgelachte Animateure,
Crevetten ohne Salsadipp:
Das ist No Go,
ein absolutes No Go.
Entspann dich von der Freakshow –
jeder Kick braucht Risiko.
Du sagst: Ein Schoßhund wird kein Wachhund, auch wenn du ihn im Zwinger leinst.
Hab Spaß in den Kolonien, Baby,
ich weiß, was du meinst.

Hier auf Mykonos ist alles supi,
die Puppen tanzen im Resort,
zum Sonntagsbrunch schrammt die Bouzouki,
die Jungs komm‘ uns so faul gar nicht vor…

Ein Streit über Sozialabbau
und das Unwort Banken,
Langweiler am Nebentisch,
wie lang woll’n die sich noch zanken?
Das ist No Go,
absolut No Go,
der Kellner kommt in Slomo,
guckt blöde wie ein Auto.
Du sagst: Serviert wird aber bitte nur mit einem Lächeln im Gesicht!
Du sagst das grad zu einem Kellner, Baby, der eigentlich Lehrer ist,
nur leben kann er davon nicht.

Und Sonntagvormittag der Wunderheiler,
der jedem Chakra eine letzte Hemmung nimmt,
er praktiziert hier im Hotel, nur leider teuer –
wart einfach, Baby, bis die Drachme wieder kommt…

Das alte Mykonos, alles inclusive,
die Puppen flippen im Resort,
wohl jeder hier lebt über sein Verhältnis –
die Mädels sehn sich so sehr gar nicht vor…

Trinkgelder beim Chillout,
Einheimischenstau im VIP-Bereich,
die ewig weißen Socken in Sandalen
und tristes Politikgeseich –
das ist no go,
absolut no go,
macht einen doch nur unfroh,
man bedauert noch die Klofrau.
Jeder verdient das, was er kriegt, rufst du so, als wenn dus selbst nicht zu glauben scheinst.
Hau rein in den Kolonien, Baby,
ich weiß, was du meinst!

Jetzt schau doch mal. Schau doch mal, wie niedlich die tanzen. So zornig auch. Die machen das gar nicht gerne. Die machen das jetzt schon drei Stunden, nur für uns. Immerzu diesen Sirtaki. Schlappmachen gilt nicht. Wer Geld machen will, soll nicht streiken. Wann ha‘m wir denn mal gestreikt? Streiken ist No Go, absolut No Go. Wir bringen hier die Devisen, na logo. Den Nord-Euro bringen wir. Und wer clever ist, findet sogar nachher das Rettungsgeld wieder auf seinem eigenen Konto… Hey hey hey: Nicht
zurückfallen, ihr da, weiter geht‘s!
sparen sparen sparen
tanzen tanzen tanzen

© M.M.

Vorher

Plötzlich war ein Loch in dem Geplauder,
wie ein Bach, der stoppt vor einem Wehr.
Und sie sahn sich an, und beiden war es
so, als wäre das jetzt schon lange her.

So lang, dass sie Vorher dazu sagten,
weil sie merkten, wie es nachher ist.
Und, sobald sie’s wussten, nichts mehr wagten,
als sich anzulachen: „Bleib so, wie du bist.“

Bleib vorher.
Solang es geht, kein Nachher.

Es gab keinen Brief und keine Email,
Erinnerung sucht Erde auf dem Stein,
und in feste kalte Böden
wirft ein Zufall ein paar Körner rein.
Irgendwann, das Jahr dreht seine Runde,
steht die Bühne an dem gleichen Ort,
leerer Stuhl steht da wie eine Wunde,
und auf einem Zettel steht ein Wort:

Vorher.
Solang es geht, kein Nachher.

Zufallsfoto, im Abgang verwackelt,
überhell, fast keine Farbe mehr,
abgeblitzt zwei Menschen, die grad da war‘n,
Unterschrift: Vorher.

Bleib vorher,
solang es geht. Kein Nachher.
Vorher.

Text & Musik: M.M.

Naumburg

Der Zug bleibt stehn in Naumburg
auf unbestimmte Zeit,
es heißt „Personenschaden“,
die Anschlüsse sind baden
und alle Ziele weit.

Der Zug bleibt stehn in Naumburg,
die Sonne warm und groß,
Altweibersommerspinnen
woll’n jetzt was gewinnen
und lassen Fäden los.

Und alle Passagiere hol’n die Handys raus und reden,
bleibt nichts übrig als zu warten und die Beine sich vertreten
auf den Steinen, auf den Stufen,
man kann träumen, man kann fluchen.

Der Zug bleibt stehn in Naumburg,
jemand starb am Gleis,
Wind kommt auf wie vom Frühling,
der Mond ist wie ein Neuling,
der noch von gar nichts weiß.

Passagiere hätten gern ihre Beschwerden formuliert,
manche wünschten, dass es hagelt, wenn der Zug nur wieder fährt,
doch der Himmel bleibt so freundlich,
eine Stunde unbeweglich.

Später sieht man Blaulicht, eine Plane auf dem Schotter
in der Form von einem Menschen, gleitet leise an dem Gatter
einer Absperrung dahin.

Doch noch steht der Zug in Naumburg,
die Spinnfäden so dicht.
Niemand kann etwas machen,
wir schaun uns an und lachen
und tauchen durch das Licht.

2010 © M.M.

Einer von den 50 Helden

Wenn ich morgen früh hier aufbrech
mit der Schutzhaut auf dem Leib,
mit einem Kuss für alle Lieben,
die Familie, die hier bleibt,
wenn ich auf die Heimat zufahr,
Land und Werk im Morgenschein,
werd ich ganz nah an zuhaus
und ganz weit weg von früher sein.

Werd nur schielen nach den Gärten,
wo das Leben freundlich war,
alles blüht wie letzten Sommer,
nur der Kopf kennt die Gefahr.
Werd am Werkstor niemand anschaun,
als Maskierter geh ich rein
und werd ganz nah an zuhaus
und ganz weit weg von früher sein.

Um die Welt laufen die Bilder
von der Schmelze und dem Licht,
vom Kaninchen ohne Ohren,
von der Schutzwand, wie sie bricht.
Da ganz hinten in den Trümmern,
noch nicht tot, so schnell und klein,
da werd ich ganz nah an zuhaus,
ganz weit weg von früher sein.

Die Kraft zu verzeih’n

Geworfen wie Steine,
gepfercht wie die Schweine,
Herr, lass nicht aus Panik
den Weg gehn ins Dunkel.
Verhöhnt in der Irre,
vor Reizbarkeit kirre,
lass trotzdem nicht Hass sein
in unsern Augen der Funke.
Herr,
gib uns die Kraft,
wie man trotzdem liebt,
wenn man nichts hält und hat,
wie man trotzdem gibt.

Genommen wie Säcke,
gedacht nur für Zwecke,
Herr, lass unsre Fremdheit
das Heilmittel sein,
weitab vom Geschehen
ins Blut soll sie gehen
als der Tropfen Klarheit,
vom Rächen befrein.
Oh Herr,
gib uns die Kraft,
die uns wissen lässt: Nichts
wird einmal Alles.
Die Kraft zu verzeihn.

© M.M.

Paradies Rüdi

Mit den Rosen, mit den Lilien,
Liebespaaren und Familien,
mit dem Weißwein auf den Tischen
und den Kerzen in den Büschen,
mit dem Wasserfall am Felsen
und dem Rotwein in den Hälsen,
mit dem Frohsinn aus den Herzen
und den Pfälzer Winzerscherzen –
dieser Platz hier im Südwesten
unsrer Stadt gehört zum Besten
und Geheimsten, was sie hat.
Bürgersinn geriet zur Tat.
Setz dich nieder und genieß
von Mitte Mai bis in den Herbst,
von fünf Uhr nachmittags bis in die frühe Nacht
ein Paradies.

Freigeharkt von Hundescheiße,
nicht mal schick und trotzdem leise,
wer als Fremder ist gekommen,
hat in Freundschaft Platz genommen
wie Herr Said am Tisch aus Ghana,
Ingenieur und kein Absahner,
wer hier wohnt wie er, hat Geld,
und man kennt sich auf der Welt.
Man fühlt Grün, man sieht nicht rot,
alles andre Grün ging tot,
alle andern Parks versteppen,
weil die Stadtkassen verebben,
und der Staat nur gegen Spenden
noch wird Freundlichkeiten senden.
Hier ist vorgesorgt: Genieß
die Wirkung einer Erbschaft einer reichen Witwe,
die den Nachbarn einstmals hinterließ
dies Paradies.

Frohe Lieder, mit Geschepper
gleichzeitig ein Sattelschlepper,
paar Zigeuner spielen auf,
andre laden Autos drauf,
die dann leise durch die Nacht
zur Umspritzwerkstatt wer‘n gebracht.
„Bürgerwehr“ und „Fremde weg“
ruft mancher da im ersten Schreck,
nur Herr Said, der Käse pickt,
spöttisch in die Runde blickt.
Kauend sagt er: „Bürgerwehr?
Bloß ein guter Wachschutz müsste her,
denn dieser Park, Beete und Rasen
sind doch zu wertvoll für die Massen.
Wer nicht wohnt hier, der soll bezahlen,
die Steppe draußen gehört allen.“

Das ist am Platz ein fremder Ton,
der Schwarze hat noch mehr davon,
„wer gut lebt“, ruft er, „wird oft weichlich,
Privatstadtteile kenn ich reichlich,
sie sind ein Ansporn für die Armen,
und für die Reichen ein Erbarmen.
Privatarmeen in Accra, Rio,
Moskau, demnächst London, Kapstadt, Kairo,
was wäre ohne Privatstrand Thailand?
Der Wachschutz teilt sogar auf Coney Island
das Kulturland und die Brache!“
Alle sind still. Mit trockner Lache
sagt Mr. Said dann: „Ganz Europa
schützt seine Grenzen neuerdings doch so wie ein Privatgebiet.
Warum dann ihr nicht diesen Platz? Den ihr so mögt, wie man ja sieht…‘

Mit den Rosen, mit den Lilien,
Singles, Paaren und Familien,
mit den Bürgern an den Tischen,
die ihre Krümel selbst abwischen,
bleibt der Platz ganz im Südwesten
bisher noch offen und gehört zum Besten,
was die Stadt zu bieten hat.
Also nutz die Stunde und genieß
von Mitte Mai bis in den Herbst,
von fünf Uhr nachmittags bis in die frühe Nacht
dies Paradies.

© M.M.

Mond aus Papier

Dieser Mond ist aus Papier, wenn du zerrst, dann reißt er dir.
Wenn du daliegst, so wie ich, wirft er ein ganz schönes Licht.

Wie ein Sommer kommt der Herbst, wie ein Hemd, das du dir färbst.
Alle Straßen sind bald kalt. Gibt uns unsre Liebe Halt?

All die Sterne, die wir sehn, sind zum Reisen unbequem.
Komm, und freue dich mit mir an dem Mond hier aus Papier.

Helles Land

Ich war in einem hellen Land,
wo Vorsicht sich zur Seite stellt,
und Nachsicht nimmt dich an die Hand,
während Rücksicht aus den Wolken fällt.
Der Tag geht steil, die Sonne brennt,
Wasser wie Staub auf einem See,
durch den ein Fluss nach Norden rennt,
ich schwimme, bis ich untergeh.
Noch fremd in diesem hellen Land
im Kreis von Vortagesgewinnern.
„Das lernst du schon“, heißt es galant.
Es ist so schwer, sich richtig zu erinnern.

Ich war in einem hellen Land,
wo Blicke durch den Schatten glühn,
das Glück malt Muster in den Sand,
gern unterstützt von nackten Zehn.
Das Spiel ist groß, jeder bleibt drin,
die Regel lässt sich leicht verstehn,
doch glaubt man lieber, dass das Chaos herrscht.
Ich passe, und ich pass dort hin,
als kleiner Fisch im hellen See,
im Schwarm von spielverliebten Spinnern.
Ich hör sie noch: „Jetzt gib. Jetzt zieh.“
Es ist so schwer, sich richtig zu erinnern.

Ich war in diesem hellen Land,
von dem es heisst, es sei hier nicht zu machen,
wo man auf einmal alles ist,
halb Gott, halb Tier, halb Mensch, und immer halb zum Lachen.
Der Tunnel, durch den jeder kommt,
lässt uns Vorheriges durchaus vermissen,
doch sind wir durch, ist es vorbei,
wir werden dann ganz andre Sachen wissen.
Die wir geliebt, so nah und frei,
woll’n die Entfernung gern noch mehr verringern.
„Schau bald wieder hier vorbei.“
Es ist so schwer, sich richtig zu erinnern.

Staubiger Staub

Ich sang dies Lied und sings gern nochmal,
von einem Land namens Grau in dem Monat April,
auf den Hochflächen draußen, wo der Wind ewig jagt –
wollt ihr wissen, was jeder zu jedem dort sagt?

Machts gut, nett euch zu kennen,
machts gut, war nett euch zu kennen,
machts gut, nett euch zu kennen –
der staubige Staub nimmt uns unser Zuhaus,
und mich treibt er nur weiter raus.

Ein Staubsturm kam und schlug zu wie Donner,
staubte uns über, staubte uns unter,
staubte die Autos ein, das Sonnenlicht –
man rannte nachhaus und sang sehr nachdenklich:

Machts gut…

Wir sprachen vom Ende der Welt, und dann
sangen wir was, fingen nochmal was an,
dann schwiegen wir wieder, ein Stündchen verging,
dann wars diese Zeile, die in der Luft hing:

Machts gut…

Liebende hockten im Dunkeln zum Funkeln,
knutschten und kosten in staubigen Dschunken,
sie seufzten, weinten, schrien laut und froh,
aber statt von der Ehe redeten sie so:

Machs gut…

Das Telefon schellte, es sprang von der Wand
mit Riesenalarm, der Pfarrer war dran,
er rief: „Werte Freunde, kommt vor den Altar
und macht euch bereit, denn das Ende ist nah!“
Die Kirche war voll, voller kann sie nicht sein,
der staubige Staubsturm weht schwarz mit hinein,
der Pfarrer sah gar nichts, jeder Text sich versteckte,
also schloss er das Buch, griff nach der Kollekte, sagte:

Machts gut, nett euch zu kennen,
machts gut, war nett euch zu kennen,
machts gut, nett euch zu kennen –
der staubige Staub nimmt uns unser Zuhaus,
und mich treibt er nur weiter raus.

(Dusty Old Dust‘, Woody Guthrie, deutsche Fassung MM)

Anfänge

Der Küster mit den zwei Gipsverbänden
rennt nachhause in Sturm und Regen,
ein Baguett unter den gebrochenen Armen,
die darf er dabei nicht bewegen.
Das sind so Anfänge, helfen die weiter?
Die Zettel liegen auf der Ablage rum
wie die Sonnenbader an einem windigen See,
ein bisschen fröstelig, erwartungsvoll stumm.

Die Frau schaut aus dem 5.Stock auf die Straße,
denkt: Besser wär vielleicht doch ein Glockenturm,
verlässt die Wohnung zum 1. Mal seit acht Wochen,
und dann draußen der Sturm.
Das sind so Notizen, wohin wollen die weiter,
noch ein Zettel mehr auf die Ablage rauf,
noch ein Sonnenbader am schilfigen Gewässer
mit dem schaukelnden Bötchen drauf.

Küster liegt am Boden, eine Frau, die ihn gerammt hat,
fragt nach dem Schlüssel zum Turm, sie fragt es sehr nett.
Er sagt: Ich kann meine Arme leider grad nicht gebrauchen,
greifen Sie in meine Hose, und Vorsicht mit dem Baguette.

Und das Bötchen schaukelt, der Sturm treibt das Wasser,
die Notizen flattern zum Fenster raus,
die Frau füttert sich und den Küster mit Weißbrot,
dann gehn sie zu ihm nachhaus.

© MM Juni 2010