Glück
Glück – Auftragstexte und Unveröffentlichtes
Heut fängt etwas an (We shallovercome)
Immer mit der Ruhe, aber dann mit nem Ruck
Riss in der Welt (Bushidoparodie)
Erst brennen dann löschen
Hier kommt das Fieber, das die Krankheit erst startet,
Schmerz, den der Arzt bringt, der sie verarztet,
die Feuerwehr, die sich den Job selber schafft.
Hübsches Geplapper über Freiheit und Frieden,
Knöpfe zum Drücken, Balken zum Biegen,
Zehntausend leiden, deine Zehn holst du raus.
Ey, kleiner Teufel, bleib weg von meinem Ohr,
selbst, wenn du schweigst, bist du lauter als ein Chor.
Kunst ohne Körper, Sinne auf Durchzug,
alles, was ein Herz hat, für den ersten Eindruck,
Terrabytedownload, die Welt for free.
Ey, kleiner Teufel, was wühlst du durch mein Haar
und baust ein Nest, wo vorher Luft und Liebe war?
Kleiner Teufel, gefällt dir meine Schulter,
ein gutes Plätzchen, aber was hast du davon?
Kleiner Teufel, mit dir auf meiner Schulter
spring ich in den nächsten Ozean.
Ganz kühle Blicke über meine Schulter,
nur so ein Funke von Leidenschaft und Folter,
verbranntes Holz, wo früher Feuer war.
Und überall diese Glücksräder, die sich drehn,
man sieht sie so schön von oben,
und auf jedes dieser Glücksräder ist ein Mensch gespannt.
Wer sagt dir, das mir das irgendwas bedeutet, kleiner Teufel?
Du zeigst mir deine Welt.
Ich muss sagen, das hast du prima hingekriegt.
In der kurzen Zeit! So wunderbar zusammengestellt, so harmonisch,
großartig!
Na, du hast deine Leute dafür:
Dummes Geplapper über Freiheit und Frieden,
Verschiedenes gleich und Gleiches verschieden,
Knöpfe zum Drücken und Balken zum Biegen,
und eigentlich nur der Wunsch, von hier wegzufliegen…
T&M: Maurenbrecher / Albrecht
AUGEN
Wieviel Augen hat der Würfel,
ist die Sechs denn besser als die Eins?
Wenn du Glück hast, wirst du’s brauchen,
wenn du’s brauchst, dann hast du keins.
Ich kenn Augen, die mich anschau’n,
als wär ich nur ‘ne Zahl.
Doch ich kenn auch zwei Augen,
die sind wie ein Brunnen,
in den ich fall und fall und fall.
Ich bin keiner zum Vergucken,
keiner für ‘n kurzen Augenblick.
Wer dir heut sagt, was er morgen sehn wird,
der kam gestern blind zurück.
Ich kenn den Blick meiner Lehrer,
wenn sie sagten, dass ich aufstehn soll.
Doch ich kenn auch zwei Augen,
die sind wie ein Brunnen,
in den ich fall und fall und fall.
Und ich sag dir: ich verdurste,
und du sagst: Komm mit ins Wasser.
Es gibt Augen, nur so im Vorbeigehn,
die sind wie ’ne Ladung Licht,
es gibt Augen, die siehst du jeden Tag,
nur ihre Farbe kennst du nicht.
Zwischen so viel fremden Blicken
wär ich gern unsichtbar manchmal.
Doch dann sehn mich zwei Augen,
die sind wie ein Brunnen,
und ich fall und fall und fall.
Und ich sag dir: Ich verdurste –
du hast gesagt: Komm mit ins Wasser.
Und ich fall und fall und fall.
(T& M: Maurenbrecher)
Arbeit
Vielleicht ist heute ja der Tag,
an dem ich zu mir selber sag:
Komm an die Arbeit.
Hab alles reichlich überlegt,
ich könnt es nennen mein Projekt,
ich nenn es Arbeit.
Ich bin dabei mein eigner Chef,
will im Gedudel und Gekläff,
wenn ich gleich in den Park raus geh,
im Trubel der Passanten steh,
mich nerven lassen angesichts
von all dem, was so läuft, durch nichts –
und das ist Arbeit.
Ich halt die Nase in die Luft,
spür den süßen Grillfestduft,
schon das ist Arbeit.
Leg mich rücklings auf die Bank,
schau den blauen Himmel lang,
und das ist Arbeit.
Die Hunde, die die Menschen ziehn,
will ich stimmlos bellen sehn,
doch schau ich weg und hör nicht drauf,
schnüffeln sie trotzdem zu mir rauf,
im Schoß der Wärme und des Lichts
versuch zu denken ich an nichts –
und das ist Arbeit!
Ich hab das Jucken leicht gespürt
im Nacken, hab mich nicht gerührt,
und es ist Arbeit.
Ein Vogel, der vom Baume kackt,
die Lippen fest, bin nicht gezuckt,
und es ist Arbeit.
Die gute Freundin, die mal eben schnell
an meiner Parkbank plaudern will
mit einem, den sie grad erkannt,
mit meinem Namen hat genannt –
ich tu, als wäre sie aus Luft,
und ihre Freundlichkeit verpufft,
und es ist Arbeit.
Ich bin ein Friedensboot im Eismeer der Kriege,
bin im Magnetfeld der Positivpol,
ich bin ein Denkmal, wenn ich hier so daliege –
na, eigentlich mehr ein Fanal.
Ich sende Schweigen aus über die Welt,
Schweigen und Versenken,
das, was vielleicht am meisten fehlt…
Ey, ihr blöden Gören, paßt auf mit eurem Speiseeis,
das tropft auf mich,
seht ihr nicht, was ich hier mache?
In Well’n der Wärme und des Lichts
versuch zu denken ich an nichts,
und das ist Arbeit!
Ich war ein wenig weggeträumt,
hab drum die Ankunft wohl versäumt
der Herrn vom Fernsehn.
Jetzt stehn sie hektisch um mich rum,
ein Mann mit Mikro, niemals stumm,
schreit grad: “Wir wer’n sehn,
wie dieser Penner auf der Bank,
von außen dick, von innen blank,
mit seinem Schweigen unsrer Welt
mit mir zusammen gleich den Spiegel vorhält”,
und damit gibt er mir ein Glas.
Ich sag: “Herr Schlingensief –
Ihr Schweigen würd’ ich gern sehn.”
Laß jetzt die Nase in der Luft,
das Ohr vergisst schon, was es ruft,
und das ist Arbeit.
Die Sonne gelbe Punkte tanzt,
bis du sie nicht mehr zählen kannst,
der Lohn der Arbeit.
Die Arme und die Beine leicht,
vielleicht noch eines dich erreicht
an diesem schönen Frühlingstag:
Jemand, der “Rück mal” zu dir sagt –
und später auf der Bahn des Lichts
sowas wie: Mach ruhig weiter. Macht doch nichts.
Bleib bei der Arbeit.
Süße Arbeit.
Süßes Nichts.
(T& M: Maurenbrecher)
ALLES HAT SEINE ZEIT
Geredet eine ganze Nacht,
gelacht, gedroht und laut gedacht,
und hin und her im Kreis gerannt,
am Ende ganz schön ausgebrannt.
Alles hat seine Zeit,
Stress und Flucht, Lust und Streit.
Jeder Wunsch ruht sich mal aus.
Lösch das Licht: Du bist hier zuhaus.
Durchs Fenster brüllt das Tageslicht,
ich lieb dich so, ich sag es nicht,
und wenn ich ganz woanders wär,
käm ich im Traum doch wieder her –
an dies Bett, auf dies Boot,
das uns trägt, Haut an Haut.
Soll die Welt sich doch drehn,
atme aus: Lass Zeit vergehn!
Denn alles hat seine Zeit,
Flirt und Flucht, Lust und Streit.
Und jeder Wunsch will weit raus.
Geredet eine ganze Nacht,
gelacht, gedroht und laut gedacht
und hin und her im Kreis gerannt,
am Ende ganz schön ausgebrannt.
Alles hat seine Zeit,
Stress und Flucht, Lust und Streit.
Jeder Wunsch will weit raus.
Lösch das Licht: Du bist hier zuhaus.
T: Maurenbrecher/Dornieden, M: Maurenbrecher
EDEKA
Da steht er also wieder rum vor dem Edeka,
wo die allergrauesten Winterwolken ziehn,
in seinem Walkman läuft ein Lied über Jessica
von einem Sänger aus New York, Adam Green.
Und dass den hier keiner kennt, das ist so völlig klar,
hier in der Vorstadt, wo die Regel heißt: Fliehn.
Er muss ein Findelkind sein, niemand hier geht ihm nah,
auch dieses Mädel nicht im Bunnykostum.
“Ey, meine Eltern sind so blöd, du glaubst, die bellen, wenn sie ficken”,
er hat das laut genug gesagt, dass sie ihn hört,
und er versteht, warum sie kichert, er weiß genau, wie die hier ticken,
gehört dazu und wär doch gern der Kerl, der es zerstört.
Das Mädel kommt jetzt näher, fragt, ob er gern Comics liest,
er lächelt matt, doch schaut er nur halb hin,
denn in dem Walkman fragt der Sänger grad, wohin die Liebe ging,
in der Musik wär sie ja längst schon nicht mehr drin.
Das ist genau die Sorte Fragen, denkt er, meiner Existenz,
der Lebensstoff, von dem man hier einfach nichts kriegt.
Er wirft ein Messer auf den Boden, sieht ihr kurz in ihre Augen,
wie sie lächelt und dann ernst und langsam nickt.
Und dieser Typ ist in die Welt hinein gefahren
wie ein Rennauto, wo die großen Ströme ziehn,
Moskau, Madrid, Westcoast und East, auch Balearen,
und später immerhin Innsbruck – Krakau – Berlin.
Er hat nach Leidenschaft gesucht und nach Askesen,
den Hass zur Energie, Isolation zur Kraft.
“Für die Provinz bin ich zu lange fortgewesen”,
hat er geglaubt, sich einen entkernten Fachwerkhof, einen Bypass, eine Ex- Frau und zwei Kinder angeschafft.
Und aus einem Moment der Sentimentalität,
vielleicht auch im Gefühl einer Krise
ist er eines Tages da spazierengegangen, wo er herkommt,
der Wohnblock seiner Kindheit schon dem Erdboden gleich,
aber das Einkaufszentrum, das gabs noch.
Und da steht er also wieder rum vor dem Edeka,
wo die allergrauesten Winterwolken ziehn.
In seinem Kopf plötzlich dies alte Lied über Jessica
von diesem Sänger, wie hieß der gleich noch, Allan Green?
“Ey, meine Eltern sind so blöd, du glaubst, die bellen, wenn sie ficken”,
er dreht sich um und denkt: ’Hab ich das nicht mal gesagt?’
Er sieht die junge Zeitungswerberin und einen Typ mit Pickeln.
Der hebt ein Messer auf, das auf dem Boden lag.
T&M: Maurenbrecher
DUMM FICKT GUT
Ich war fünfzehn Jahre alt, kurz vorm Abitur,
Agatha, blonde Haare halt, Figur wie Eieruhr,
ich war mit ihr allein,
sie auf mir im Spagat,
ich wollte schrein: “Oh geil”,
doch ich rief:
“a plus b in Klammern zum Quadrat gleich a Quadrat plus zwei a b plus b Quadrat” –
Sie sagte:
“Dumm fickt gut, dumm fickt gut, du bist mir nicht dumm genug.”
Schade! Doch aus Schaden wird man klug.
Mit Zwanzig promovierte ich, magna cum laude Dr. phil.,
Barbara verführte mich, hauchte: “Ja, ich will”.
Ich war mit Liebe rappelvoll,
sie gab mir ihre Hand,
ich wollte schrein: “Oh toll”,
doch ich rief:
“Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne – Immanuel Kant!”
Sie sagte:
“Dumm fickt gut, dumm fickt gut, du bist mir nicht dumm genug.”
Schade! Doch aus Schaden wird man klug.
Mit der Dreißig der Nobelpreis dann, Chemie, Physik und Medizin,
die Schwedin Claudia beisst an, vom Nobelpreis weg und hin.
Was ich stehn hab, lass ich stehn,
ich seh nur ihren Mund,
ich wollte schrein: “Oh schön!”,
doch ich rief:
“Sage mir, Frau Welt, was ist der Weisheit letzter Grund?”
Sie sagte:
“Dumm fickt gut, dumm fickt gut, du bist mir nicht dumm genug.”
Schade! Doch aus Schaden wird man klug.
Ich war einunddreißig Jahre alt und hatte alles erreicht (wenn man mal davon absah, dass ich mit keiner Frau mehr als einmal im Bett gewesen war).
Sollte es das also gewesen sein? Das Leben?
Ich kündigte meine Jobs. Akademien der Welt, adieu!
Ich kündigte meine Wohnungen. Sesshaftigkeit, adieu!
Ich kündigte meine Identitäten. Ich begann zu trinken…
Ich traf sie vor dem Tanzlokal, am Revers den Roten Stern,
Dorothea, ganz mein Fall, wir hatten uns gleich gern.
Sie machte mich so kirre, es war die blanke Gier,
ich wollte schrein: “Ah irre!”,
da rief sie:
“Kommunismus ist gleich Sowjetmacht plus Elektrifizierung!”
Mein Himmel hing voll Geigen,
sie schrie Marx und Engels rauf und runter,
und als ich schließlich nicht mehr konnte, sagte ich:
“Worüber man nicht sprechen kann,
darüber muss man schweigen.”
„Dumm fickt gut, dumm fickt gut, du bist mir nicht dumm genug.“
T: Maurenbrecher/Bjerg, M: Maurenbrecher
Hemd auf Brust raus
In einer Filiale der Agentur für Arbeit in einer ostdeutschen Mittelstadt. Der Sachbearbeiter schaut von seinem Laptop hoch, sagt:
Kommen Sie ruhig rein, machen Sie die Tür hinter sich zu…
Nehmen Sie Platz, Herr Rosenow. Aus Parchim. Ingenieur. Alleinstehend. 53 Jahre alt. Und jetzt knapp zwei Jahre arbeitslos. Und Sie beziehen den Höchstsatz, alle Achtung, das hat sich dann aber ganz angenehm gelebt, nicht wahr, Herr Rosenow? 120 qm sanierter Altbau, schätz ich mal, mitten im Stadtzentrum, ein Skoda-Mittelklassewagen, paar Aktienfonds, ISDN und DSL flat fürs Internet, ein Beamer auf der Wochenenddatsche, die natürlich längst abbezahlt ist? Stimmt alles – na, sehn Sie mal an, das wusst ich, ohne Sie zu kennen, ich kümmer mich nämlich um meine – Klientel.
Jetzt also auf Hartz IV. Wie der Volksmund immer noch sagt. Da kommen aber andere Zeiten auf Sie zu, das sollten Sie gleich wissen. Sie machen als Erstes jetzt am besten mal ne Liste von all dem Vermögen, das sie noch besitzen – und ich, ich nenn schon mal die Losung.
Und dann sehn wir weiter:
Hemd auf, Brust raus, Hose runter.
Klingt unangenehm, ganz recht. Soll es auch.
Nun, wir woll’n doch alle den Sozialstaat ein wenig verschlanken, Sie doch auch, nicht wahr? Haben Sie nicht jahrelang gegen all die Schmarotzer losgewettert, die Benutzer sozialer Hängematten, leistungsunwillige Drückeberger? Aus den sozialistischen Wärmestuben? Trinker, alleinstehende Mütter? Die der Markt gleich wieder abstößt? War’n das nicht so ungefähr Ihre Worte? Nicht, dass ich Ihnen das jetzt vorwerfen wollte – aber was in aller Welt hat Sie darauf gebracht, Sie würden ausgespart vom Marktgesetz? CDU-Wähler der ersten Stunde – vor der Wende, nach der Wende – bürgerlich bis in die Knochen – das war mal Ihr Kapital, Herr Rosenow, und irgendwann war’s dann auch Ihr Fehler. Als Ihre Firma sich verschlankt hat, wurden Sie mit als erster entlassen. Die ehemaligen
sozialistischen Kader ha’m dagegen clever nachgezogen, die ha’m sich Kapitalgesellschaften gegründet,
ha’m sich gegenseitig Verlustzuweisungen zugeschrieben, und die tanzen nicht mehr hier an und wollen Stütze so wie Sie…
Also diese 57.000 Euro Lebensversicherung, von denen ich hier lese, die sind jetzt nicht mehr Ihre, die ziehn wir hier voll mit ein, und die Datsche wird natürlich verkauft – ja, wie: ’Ist doch alles selbst erarbeitet’- glauben Sie denn, wir vermuten, dass Sie das geklaut haben? Dann würden wir’s Ihnen vielleicht sogar lassen – is’n andres Thema, da ha’m Sie Recht.
Aber wenn Sie von Ihrem Staat was haben wollen, mein Lieber, wohlgemerkt: Dann ohne Hinterhalt, und blank und frei, mit leeren Taschen –
Hemd auf, Brust raus, Hose runter.
Na also. Geht doch.
Der nackte Mann. Der kriegt dann seine 345 €. Jeden Monat. Krisenfest. Jedenfalls, soweit wir planen können. Na, Schwamm drüber.
Jetzt ist nur ein Problem. Ich hätt Sie gern aus der Statistik wieder raus. Sie müssten also wieder arbeiten.
Natürlich nicht für die 4.000, die Sie mal gewohnt waren…
Was? Was woll’n Sie? Gemeinschaftsarbeit? Ach, mein Lieber, tun Sie jetzt nicht so naiv – Spielplätze wollen Sie
saubermachen, oder in die Krankenpflege? Sie als Ingenieur? Woll’n Sie denn wirklich sowas? Außerdem, wie sollte denn die öffentliche Hand, wie sollten wir denn sowas noch bezahlen? Ach, kommen Sie, der Sozialismus war Ihr Ding doch nie, die ha’m sowas bezahlt. Mit all den Folgen, die wir kennen. Mauerbau. Gewissensterror. Wir nicht. Hier ist jetzt nur noch Markt. Mit großer Mehrheit, mehr als je zuvor.
Nee, mein Lieber: Ich hab hier ’ne Liste von der regionalen Industrie, und da gibt es Anforderungen, da würden Sie nur staunen. Jetzt ha’m Sie Glück. Denn Ihre Firma existiert ja noch. Und die haben hier einen Bedarf angemeldet, der liegt mir vor, und die schreiben, die suchen exakt den Ingenieur, der Sie mal waren. Und das ist die Chance! Das könn’ Sie doch noch alles. Vielleicht stellt man Sie ja sogar nochmal wieder richtig ein. Wunder gibt es immer wieder! Ich wäre wirklich froh, wenn sowas passieren würde, ich würd’s Ihnen gönnen – wir sind hier nämlich keine Unmenschen, wir tun auch nur, was wir können.
Und das ist wenig, da ha’m Sie Recht. Ein Euro in der Stunde. Statt Ihrer 4.000 monatlich vorher. Aber dafür dann die 345 geradezu freihaus. Ist das ein Deal?
Was gucken Sie denn plötzlich so böse? Das hilft nichts, wenn Sie nächstens anders wählen. Nichtmal die Grünen würden Ihnen helfen. Und die PDS, da, wo die mitregiert? Ehrlich gesagt, ich seh wenig Spielraum. Amok bestenfalls.
Oder Sie ringen sich nochmal durch zum guten alten Staatsbürger. Lieb Vaterland, magst ruhig sein. Auch Sie sind Deutschland.
Hemd auf, Brust raus, Hose runter.
Kommen Sie, probier’n Sie’s einfach mal.
Warten Sie, ich hol grad mal’n Spiegel, da könn’ Sie selber sehn, wie Ihnen das steht.
Hemd auf, Brust raus, Hose runter.
Hier, sehn Sie selbst: Ich finde, Ihnen steht das ausgezeichnet.
Eigentlich sind Sie genau der Typ, dem sowas steht.
Kommen Sie, wir wagen mal’n Tänzchen zusammen, wir beide –
Hemd auf, Brust raus, Hose runter.
Zwanzig Jahre jünger sieht er aus, der Kerl…
T&M: Maurenbrecher
NAHRUNG
Jetzt sind wir draußen, wie in nem Traum,
die ungeübten Augen glauben’s kaum:
Oben die Decke, himmelhaushoch,
pfeilgerade Strecke, gekrümmt doch auch.
Wir könnten sofort in diesen Kreislauf hinein,
wir sind jung und sind viele:
Wir wollen Nahrung sein.
Träum das ganz Andre, du musst es wagen,
Grenzenlosigkeit, so weit die Füße tragen,
aus der Kühlkammer, Gefängniszelle
in das unendlich Dunkle und Helle,
Teil eines Ganzen und nie mehr allein,
wir sind frisch und sind köstlich:
Wir wollen Nahrung sein.
Nahrung – für alle die Chance,
Nahrung – nicht Mittel, das Ganze,
Nahrung – nicht die Verpackung drumrum,
Nahrung ist Leben, ist Universum.
Nahrung – nicht Mittel, das Ganze,
Nahrung – für alle die Chance,
Nahrung – nicht die Verpackung drumrum,
Nahrung ist Leben, ist Universum.
Wir waren verborgen als stille Herde,
jetzt stehn wir draußen – stirb und werde.
Keine Geschöpfe, das man einfach nur isst,
ein großes Ganzes, das die Welt nie vergisst.
Wir werfen uns in das Weite hinein,
Teil einer Kette:
Wir wollen Nahrung sein.
T&M: Maurenbrecher
Nah und wichtig
Oben am Himmel in klarer Nacht
stehn oft zwei Sterne so wie auf Wacht.
Will sie dir zeigen, bis du sie siehst,
weil du mir so nah und wichtig bist.
Am Meeresboden, wohin kein Licht reicht,
liegen zwei Muscheln, öffnen sich leicht.
Würd gern so warten, während die Zeit verfließt,
weil du mir so nah und wichtig bist.
Der Nahverkehrszug fährt hin und her,
sind nur zwei Wagen, nie einer mehr.
Wär überglücklich, ob du mich schiebst oder ziehst,
weil du mir so nah und wichtig bist.
Zwei von Millionen und gleich erkannt.
Angst vor der Wärme und doch verbrannt.
Im Schrottcontainer, da fragst du nicht,
ob diese Liebe schlecht und flüchtig
oder richtig ist.
Was ich brauch, stechen Nadeln in meinen Bauch,
zwei kleine Silben, ein Zeichen auch.
Mir wär es nie peinlich, wenn jeder da liest,
dass du mir so nah und wichtig bist.
Weil du mir so nah und wichtig bist.
T&M: Maurenbrecher
SCHLAG MICH
Jeder Mensch besteht aus neunzig Prozent Wasser
und Gott erkennt man am Detail,
also meine Scheißtränen jetzt, die hast du zwar rausgezaubert,
aber sie war’n hier drin und kämen auch von selber frei.
Ich hab schon über so viel Mist geheult, du würdest staunen,
was göttlich ist, das sucht sich seinen Weg hier raus –
jetzt schlag mich, Baby,
schlag mich, wenn das falsch ist.
Und jede Straße muss um einen Bogen,
liegt an der Erdkrümmung, Baby,
hat nichts mit Inkonsequenz zu tun –
wer immer geradeaus geht, der geht direkt in den Himmel.
Oder nenn es Kosmos,
so hieß auch früher unser Kino,
und da hab ich übrigens oft Tränen drin gelacht.
Ich sah die Kosmonauten auf gekrümmtem Flug,
und einer, der nur immer geradeaus flog, kam nicht wieder.
Stimmt doch, oder?
Jetzt schlag mich, wenn’s nicht wahr ist,
oder was hab ich jetzt schon wieder falsch gemacht?
Und du sagst: Respekt ist die Währung.
Du sagst: Respekt ist die Währung?
Hab ich, wenn ich dich darin bezahl, denn irgendwie Erfolg?
Für mich war es viel schmerzhafter, das Rauchen einmal anzufangen als es dann zu lassen –
was ich damit sagen will: Vielleicht wär ich längst ganz oben, hätt ich das jemals gewollt.
Na klar verachtest du meinen sogenannten Opportunismus
und behauptest, du stattdessen gingest mit dem Kopf voraus gleich durch die nächste Wand,
aber weißt du, dafür hast du eine ziemlich glatte Stirn behalten, Baby,
und mein sogenannter Opportunismus, der ist das Geringste, den mach ich mit der linken Hand.
Und mit der mach ich noch ganz andre Sachen.
Sind miese Zeiten, man streckt sich nach der Decke,
ich hab dich nicht gezwungen, hier entlangzugehn,
hab nur grad das Türchen aufgemacht, und schwupps, warst du drinnen.
Ist es jetzt denn eine Strafe, dir die Welt durch meine Scheibe anzusehn?
Du sagst, du liebst die Freiheit und die bunte Ferne,
ich würd ja gerne schrein: Hurra, ich auch, wie sehr!
Aber du sagst es mir jeden Tag, ich bin nicht mein eigner Herr,
sondern nur so‘n kleiner Einspringer bei Vanity Fair…
Und Du sagst: Respekt ist die Währung.
Respekt ist die Währung.
Hab ich nicht Unsummen davon gezahlt an jemand, der vielleicht noch nicht mal an mich glaubt?
Hör mal: Ich hab für Menschenrechtsorganisationen Werbung gemacht, da kannt’ ich dich noch gar nicht,
ich hab Bachtrompete gespielt, ich hab über Hanna Ahrendt promoviert,
ich hab dich doch nicht aus dem Schoß von irgendeinerbess’ren Menschheit weggeraubt.
Und jetzt schlag mich, oder sag, ich bin unschlagbar,
schlag mich oder sag, ich bin unschlagbar.
Das ganze weiche Zeug, das hat doch keinen Zweck.
Schlag mich oder sag, ich bin unschlagbar,
tick for tack.
Schlag mich. Oder sag, ich bin unschlagbar.
(aber bitte geh nicht weg).
Schlag mich oder sag, ich bin unschlagbar.
Schlag mich. Oder sag, ich bin unschlagbar.
HERZ OHNE GEFÄHRTEN
Ja, ich grüß dich aus dem Hinterland
von Sorge und von Qual
mit so weit zerschmissner Liebe –
du triffst sie überall.
Und ich sing dies für den Käpt’n,
dessen Schiff niemals entstand,
für die abgedrehte Mama
mit der Wiege voller Sand.
Für das Herz ohne Gefährten
mit der Seele aus der Bahn,
für die Primaballerina,
die zu gar nichts tanzen kann.
Soviel Scham am Tag wird kommen,
soviel Irrsinn nachts wird sein,
dein Versprechen zählt so gar nichts,
aber halt es trotzdem ein.
Musst es halten für den Käpt’n,
dessen Schiff niemals entstand,
für die abgedrehte Mama
mit der Wiege voller Sand.
Für das Herz ohne Gefährten
mit der Seele aus der Bahn,
für die Primaballerina,
die zu gar nichts tanzen kann.
Und ich grüß dich aus dem Hinterland
von Sorge und von Qual
mit so weit zerschmissner Liebe –
du triffst sie überall.
T&M: Leonhard Cohen, dt. Fassung: Maurenbrecher
Tauendes Eis
Die ganze Stadt weiß:
Vom Himmel fällt Scheiß,
feuchtwarmer Schnee
auf tauendes Eis.
Am Stadtparksee
gehn Schritte leis
unsicher tappend
auf das tauende Eis.
Komm raus zum Spielen,
komm, einmal noch,
es dämmert grad erst,
das magst du doch,
Warmwinde ziehen,
der Rücken kriegt Schwung,
wie wir da fliehen,
oh, was war’n wir jung.
Sieht er auch aus wie ein Loch, ruft sie,
heut, unser Teich,
sein Eis wird uns tragen
und unser Lied spielt er gleich:
Liebe ist so schön,
will sich weiter drehn,
weiter, um nichts zu versäumen,
und das Leben ist kurz,
und die Hälfte geht rum mit dem Träumen.
Spring über mich rüber
wie ein Delfin auf Balz,
und ich schwing wie eine Kette
um deinen wundervollen Hals.
Sie ruft das noch im Fallen,
Leute schauen her,
und sie winkt ihnen noch freundlich,
dann erkennt sie nichts mehr.
Diesen Leuten am Ufer
ist dieser Unfall ein Beweis
für die Klimakatastrophe –
all das tauende Eis.
Während die Alte tot geborgen wird,
Verwandte kommen an,
in ihrem Schmerz verspannt und ratlos,
weil man es nicht begreifen kann,
dass diese Frau, Mutter, Schwester,
die hier jahrzehntelang gelebt,
selbstbewusst, versorgt und glücklich,
sich ein solches Ende gibt –
doch nicht freiwillig?
Aus welchem Grund denn auch?
Außerdem, man hat sie in all den Jahrzehnten hier nie Schlittschuhlaufen sehen.
Nur ein Feuerwehrmann, der seine Leiter einrollt nach dem Einsatz, sagt zu sich selbst: Verrückt,
mir war, als gab es auf dem See da draußen sowas wie Musik.
Liebe ist so schön,
will sich weiter drehn,
weiter, um nichts zu versäumen,
und das Leben ist kurz,
und die Hälfte geht rum mit dem Träumen.
Wann fährst du, fragt er.
Gleich morgen früh,
ist unser Abschied heut,
mein Delfin, sagt sie.
Sie drehn ihre Runde,
im Gesicht Schnee und Salz,
und schwingen wie zwei Ketten
um einen wundervollen Hals.
Du ertrinkst in ’nem Eisloch,
habs geträumt, sagt er.
Sie lacht: Ich fahr trotzdem,
machs uns beiden nicht so schwer.
Liebe ist so schön,
will sich weiter drehn,
weiter, um nichts zu versäumen,
und das Leben ist kurz,
und die Hälfte geht rum mit dem Träumen.
GLÜCK ZUR REISE
Geht diese Tür je wieder auf?
Gibt es ein Morgen?
Schaut jemand nochmal zu mir rauf
und trennt die Sorgen?
Ich bin so lange hier
und mir wird bange hier,
dass das Vertaute mich verlässt.
Bleibt diese Dunkelheit bestehn,
quer durch den kalten Weltraum?
Wer’n wir uns einmal wiedersehn
in einem sanften Wachtraum?
Wie eine Barke durch die Nacht,
randvoll mit ihrer Sklavenfracht,
treibt es uns voran bis zum Rand,
die Fremde bleibt ganz unbekannt –
wir beten auf dem harten Deck:
Ihr leichten Stunden, geht nicht weg,
wir singen lauthals, weil wir frier’n:
Es soll nicht dauernd was passier’n!
Das Wissen, das auf Ruhe setzt,
weiß nichts, und das genügt ihm jetzt.
Die Hoffnung wie ein bleiches Tuch,
als Segel trotzdem fest genug.
Es taut der Schnee, es fällt das Laub,
die Welt ist nur ein Körnchen Staub.
Von hier aus bis zum Horizont
die Frage: Wohnt hier jemand?
Als Gruß zurück, deutlich und leise:
Ich wünsch Dir Glück zur Reise –
T&M: Maurenbrecher
AUBERGINENMANN
Ich hab ‘n Haus in der Pampa,
zehn km nördlich vom nördlichen Berliner Ring,
und wenn die Autobahn leer ist, dauert’s 30 Minuten
zurück zu meiner alten Wohnung in Charlottenburg, das is’n Ding!
Meine alten Nachbarn, und ich selber auch, wir fandens anfangs ziemlich extrem:
Wer mit so‘ner guten Pension wie ich in Westberlin lebt,
warum soll der freiwillig in den Ostblock gehn?
Aber gesagt – getan, jetzt beißen die sich in den Hintern:
Hier hab ich’n Swimmingpool, ‘n Grundstück und ’ne kleine Frau zum Überwintern,
hier bin ich nicht der anonyme Opa, den man an der Ecke Kantstraße tot auf die Seite legt,
hier bin ich der Weltmann aus der Großstadt, der auch gern mal elegante auberginfarbene Anzüge trägt –
und ich kenn die Welt, ich kenn die Welt,
hab schon ganz Bärenklau die Welt erklärt.
Soziale Wärmestuben, Schlendrian und eine öffentliche Hand, die sich für Subventionen niemals schämt,
mir als altem Westberliner ist das eigentlich unbekannt und auch von Herzen wesensfremd,
aber ich kann mich reindenken, war schließlich 30 Jahre lang bei der Senatsverwaltung Bauen,
ich kenn mich aus mit Eigentümerauflagen, Finanzfinten, und lass mich ungern beklauen –
ich also gleich aufs Gemeindeamt, ich sag nur einen Satz, der lautet: Mit mir nicht,
wenn ihr noch so unschuldig dreinschaut, Brüder: Ich kenn die Tricks,
und ich bin nicht der alte Trottel, den man mit sowas wie #ner geänderten Abgabenordnung reinlegt,
ich bin ein mit allen Wassern gewaschener Fuchs einer Weltstadtverwaltung, der hier’n bißchen Kultur reinbringen will und nebenbei ganz gern mal elegante auberginfarbene Anzüge trägt!
Ich kenn die Welt –
auch wenn das einigen Damen und Herrn Genossen hier vielleicht nicht so gefällt!
Okay okay: Bloß nicht überheblich wirken, Toleranz ist angesagt.
Was tut sich eigentlich hinter den Kulissen?
Das hab ich dann sehr deutlich bei meinem Einstand in die Kultur-und-Freizeit-AG gefragt.
Das ist doch nicht immer gleich’n Rechter, wer hier mit ’ner Glatze rumläuft,
sind alles junge Menschen, und wenn die selber arbeiten wollen, sindas doch nicht gleich Ausländerfeinde,
durch’n Asylantenheim andrerseits kommen Leute in die Gegend, die gar nicht arbeiten dürfen,
das kann ja wohl nicht gut sein für die Gemeinde.
Geb ich nur mal so zu bedenken.
Sogar die Mauerflüchtlinge im alten Berlin wurden erstmal in ’nem Heim untergebracht, in Marienfelde, und nachher wurden die meistens ausgeflogen. Nach Westdeutschland. Jetzt hab ich wohl’n bißchen den Faden verloren… was das eine mit dem anderen zu tun hat – weiß ich jetzt selber auch nicht so genau. Wir ha’m jetzt hier jedenfalls nichts zu verschenken! Das wollt ich eigentlich sagen. Danach sind die Zeiten nicht. Darin sind wir uns doch wohl einig?
Genau: Niemand irgendwo hat normalerweise was zu verschenken –
und ich kenn die Welt. Ich sags mal so: Is’n weites Feld.
So, zu meinem Einstand hier in die Kultur- und Freizeit-AG gibts jetzt ’ne Runde. Ich geb ’ne Lokalrunde. Wirft mal jemand was in die Musicbox vielleicht? Rita!? Rita, darf ich bitten – Rita, komm, wir tanzen raus auf die Veranda…
Ich hab’n Haus in der Pampa,
zehn km nördlich vom nördlichen Berliner Ring,
und weil wir hier eine Abgabenerhöhung nach der andern herbekommen, mußt ich meine Wohnung in Charlottenburg neulich aufgeben, das ist wirklich ‘n Ding!
Also schenk mir noch’n Bier aus, Rita, laß mich dir nochmal erzähl’n, wie’s damals unter’m Funkturm war. Ich sehn mich nicht nach alten Zeiten, ich will keinen Streit, ich find den neuen Bürgermeister wunderbar.
Ich bin nur nicht der blöde Opa, den man mit ’nem dummen Spruch beiseitefegt,
ich sollte hier Ehrenbürger sein, ein Mann der Kultur, ein Hauptstadtpensionär, der den Ort doch nur belebt und einfach aus ’ner guten Laune raus seinen besten, auberginfarbenen Anzug trägt.
Und ich kenn die Welt.
Herr Bürgermeister – ja, ich komm mit der Rate vorbei, ganz bestimmt. Es ist nur eine momentane Schwäche.
Nein, Sie müssen niemand schicken, ich komm selbst, ganz bestimmt. Lasst mich doch durch. Rita, schau doch nicht weg – Rita, denk an die Veranda. Aua. Ihr tut mir weh.
Oh mamamamama. Oh pappapappapappa… Ich willl doch nur aufs Klo. Lasst mich durch. Tut doch was!
(T&M: Maurenbrecher)
LAFONTAINE
Ja, wer weg vom Fenster ist, kann nicht nach draußen sehn,
und im Hause macht sich Langeweile breit,
schreib ein Buch zweimal und tu dir leid –
bald kommt deine Zeit.
Wenn man klein ist, sind die Träume immer riesengroß,
du träumst oft, dem Volk da draußen wäre klar,
was ihm fehlt, nämlich ein linker Star
wär ja halb so wild,
bist im Bild –
Lafontaine,
wir sehn dich stehn auf hohem Eis
du bist der lebendige Beweis,
dass es auch Durchblick gibt.
Siehst die Menschen auf den Straßen, soviel Leid und Not,
sagst: Vollzieht doch einmal nach, was ich versteh,
die Bewegung, die ich vor mir seh,
tut nur Reichen weh –
Lafontaine,
ein Kapitän im hohen Eis
– schön, dass einer sogar weiß,
dass Eis aus Wasser ist…
Mit dem Gysi scheints so easy wie schon lang nicht mehr,
der tut hell wie du und eitel Sonnenschein,
so harmonisch wie ein Ortsverein,
eure zwei Partei’n.
Doch die Sozis werden einmal vor der Türe stehn,
und zum Kompromis-Regiern laden sie ein,
während alle um dich rum ’Ja’ schrein,
sagst du: hatt’n wa schon,
null Vision –
Lafontaine, wir sehn dich stehn auf hohem Eis –
du bist der lebendige Beweis,
Rechthaben ist ein Glück.
Lafontaine, ein Kapitän im hohen Eis,
– Konsequenz hat ihren Preis
und darf nie mehr zurück.
Lafontaine, doch wir gestehn, dass man nie weiß:
redst du grade Wahrheit oder Scheiß
in diesem Augenblick? Lafontaine…
Wundervoll
Die Glotze flimmert,
mein Herz so heiß,
ich seh zwei Augen,
die leuchten weiß-
Körper huschen durch die Nacht,
klettern über einen Zaun,
ich finde einfach keinen Schlaf,
muss in diese Augen schaun:
Du bist wundervoll. bist wundervoll.
du bist wundervoll und schnell.
Ich kann dich sehn auf der Leiter stehn,
Hunde, wütendes Gebell,
Suchscheinwerfer leuchten grell.
Ja, er sieht mich an,
was sieht er dann
aus der Glotze raus, er wirkt so leibhaftig –
er hofft, es wird Reisepässe regnen,
und ich weiß, wir werden uns niemals begegnen:
Du bist wundervoll. bist wundervoll.
du bist so schön und hart.
Ich kann dich sehn auf der Leiter stehn,
bevor der Grenzer naht,
zerreißt du den Stacheldraht.
Du bist wundervoll, bist wundervoll,
bist so schön anzuschaun.
Da flimmern weiße Augen in der Dunkelheit,
die sehen einfach ihren Traum.
Schüsse, einer fällt und schreit.
Du kommst niemals über den Zaun.
T&M: Bov Bjerg, Manfred Maurenbrecher, für den Jahresrückblick 05
SCHIMMEL – LIED
Großes Geschenk von der Natur an das Leben,
befreiende Kraft, uns allen gegeben –
Er ist eigentlich gar nichts, stabil wie ein Schaum,
und wer ganz bei sich selbst ist, der spürt ihn kaum –
Kommt wie ein Fluch, als eine Strafe von Gott,
man verliert das Gesicht, zurück bleibt der Spott –
befreiender Zauber oder Drohung vom Himmel:
Schimmel.
Aber wer sich verlor’n hat, dem haut es voll rein,
kann dann wie fünf Drogen gleichzeitig sein –
Wo Gott seinen Zorn zeigt, da lobt er zugleich,
wen er straft, will er fördern, und wer leidet, wird reich –
Jedes Wunder macht träge, die Natur braucht den Kampf,
wer da einfach nur hinlebt, der endet im Krampf –
totgleiche Starre, putzmuntres Gewimmel?:
Schimmel.
Schimmeln ist, wenn man Schmerzen hat
und nichts tut wirklich weh,
Schimmeln ist wie ein Sonnenbad
im kühlen weichen Schnee…
Kannst ihn kriegen beim Dösen oder tief im Gebet,
kleines Prickeln in der Nase, das nie mehr vergeht –
Wenn du nach etwas Fitness den Dreck runterspülst,
kleiner Spritzer im Auge, den du nicht einmal fühlst –
Hast die Ängste im Griff und sagst gern zu dir: Ich,
bleibst nur einmal morgens liegen – schon hat er dich –
Schimmeln, das ist ein Schnäppchen
der Wohlfühl – Industrie,
mit Vertrag umsonst für jeden,
aber kündbar nie.
Befreiender Zauber oder Drohung vom Himmel?:
Schimmel.
Totgleiche Starre, putzmuntres Gewimmel:
Schimmel.
Frauen und Männer ohne Mösen und Pimmel:
Schimmel.
KINDER SIND SCHEISSE
(Tomate)
Kinder sind Scheiße,
frag mich nicht warum.
(alle)
Kinder sind Scheiße,
wir frag’n dich nicht warum.
(Tomate)
Erstmal sind sie schrecklich laut,
dann könn sie nichtmal essen,
die mantschen nur rum,
keine Tomate, die ein Kind nicht versaut.
(Gurke)
Kinder sind Scheiße,
ich sag euch auch warum.
(alle)
Kinder sind Scheiße,
sag uns jetzt warum.
(Gurke)
Denen fehlt, was jedes Lebewesen eigentlich haben muss: Respekt,
mit ihren Patschefingern,
keine Gurke, die ein Kind nicht zu Tode erschreckt.
(Joghurt)
//:Kinder sind Scheiße,
alles dreht sich nur um sie://
wenn sie die Verpackung aufhaben,
sabbern sie auf dich rauf, und garantiert kommt ein Erwachsner vorbei
und wischt dich anschließend in den Müll –
total Scheiße sind die.
(Mehl)
“Kinder,
das ist aber der Sonnenschein
in dieser staubigen Welt,
Kinder, die gehn in die Zukunft rein…?” – na gut, vergesst es –
(Schultheiß und Zwiebel)
Kinder sind Scheiße,
wir schmecken denen nicht,
Kinder sind einfach Scheiße,
wir schmecken denen nicht!
Das muss man sich mal vorstellen.
Wir, die Spitzenreiter im kulinarischen Kosmos.
Wir schmecken denen nicht.
Das sagt doch eigentlich alles.
(Alle)
Kinder sind Scheiße,
es kann nicht anders sein,
Kinder sind auch nicht niedlich,
fallt darauf bloß nicht rein.
Gurke:
Kinder sind leider eine bedauerliche Sackgasse der Evolution,
wenns aber unbedingt sowas geben soll,
dann könnten wir auch gut selber welche sein!
Schultheiß:
Na logo.
Mehl:
Und zwar viel viel bessere.
(Alle)
Wir sind die bessren Kinder,
das ist so völlig klar,
Kinder sind leicht ersetzbar,
das geht wunderbar.
Zwiebel:
Kinder sind für Erwachsene eigentlich nur so ein Gefühl, sie habn da was aus dem Boden gestampft, das letztlich so funktionieren soll, wie sies selbst nie hingekriegt haben –
//:Wir sind die bessren Kinder,
weils immer schon so war://
Text: Bjerg,Evers,Maurenbrecher,Albrecht (Kühlschrankmusical)
HEUT FAENGT ETWAS AN (We shall overcome)
Heut fängt etwas an,
heut fängt etwas an,
heut fängt etwas mit uns an –
ganz tief hier drin,
ganz tief hier drin
fängt heut etwas mit uns an.
Einen Schritt voran,
nur einen Schritt voran,
einen Schritt voran, und dann –
(glaub mir:) hier, wo wir sind,
ganz tief hier drin,
fängt heut etwas mit uns an.
Wir gehn Hand in Hand,
wir gehn Hand in Hand,
klar und fest und Hand in Hand,
(wir wissen:) nicht arm und reich,
wir woll’n uns gleich,
und was wir woll’n, das fängt heut an.
Wir haben keine Furcht,
ha’m heute keine Furcht,
allein vielleicht, doch nicht beisamm’ –
das, was wir woll’n,
ist nicht, was wir soll’n,
doch heute fang’ wir damit an.
Und unser Traum wird wahr,
unser Traum wird wahr,
verspottet, wie er lange war –
aus uralter Zeit
durch Hass und Leid:
Frieden und Gerechtigkeit.
Heut fängt etwas an,
heut fängt etwas an,
wir glaubten manchmal kaum mehr dran:
Die Zukunft wird schön,
und ganz tief hier drin
fängt sie wieder für uns an.
Immer mit der Ruhe aber dann mit nem Ruck
Der Mann sitzt seit ner Stunde im Auto,
Hände am Lenkrad, Motor an, starrt,
Hut auf und Augen voller Abschied,
wirkt so, als wäre er im Traum auf Fahrt.
Grad, wenn man glaubt: Jetzt ist er weggedämmert,
die Lücke, wo er parkt, schließt ein Lastzug,
schießt er im letzten Augenblick nach vorn ins Freie.
Immer mit der Ruhe, aber dann mit nem Ruck.
Die Katze im Gebüsch hat eine Maus vor,
mit der sie spielt, auch wenn die es nicht will,
die eine Tatze lockt, die andre klammert,
das Spielzeug ist erstarrt und tut nicht viel.
Dann kommt ’ne lange zähe Spanne Lauern,
ein falscher Griff, zu zaghaft ist der Druck,
da nimmt die Maus diesen Moment und rast raus auf die Straße.
Immer mit der Ruhe, aber dann mit nem Ruck.
Die Frau auf dem Balkon gießt ihre Blumen,
sie hört den Aufprall, aber schaut nicht hin,
sie weiß im Kopf genau, was grad passiert ist:
die Katze unterm Auto, und der Mann da drin.
Den Trennungsstreit hat sie noch in den Ohren,
steht jetzt im Treppenhaus im kalten Zug
und zögert lange, bis sie rausläuft auf die Straße:
Immer mit der Ruhe, aber dann mit nem Ruck.
Gibt einen kleinen Stau, wenn sie sich küssen,
den Motor ausdrehn und vom Schluchzen weich
die Katze auf den nassen Rasen legen:
Ja schade, traurig – kümmern wir uns gleich.
Die Maus in dem Gebüsch sieht, wie ein Bröckchen Käse
zwischen den Tatzen ihrer Feindin fein auflugt.
Sie glaubt nicht an den Tod. Sie spannt sich leise.
Immer mit der Ruhe, aber dann mit dem Ruck.
Man kann nicht sagen, dass jetzt alles gut ist,
höchstens, man sagt: Ist gut, im Sinne von genug.
Man kann auch fragen, wann dies Lied vorbei ist –
…
immer mit der Ruhe, aber dann mit nem Ruck…
© MM, 11/07
Riss in der Welt (Bushidoparodie)
Sie stehn da draußen und schaun niemand an.
Sie haben dir doch gar nichts angetan,
das, was sie machen, ha’m sie stets getan,
früher fand auch niemand etwas schlimm daran,
jetzt stecken sie sich scheu und ängstlich ihre Kippe an.
Lass mal deinen Hochmut sein,
die bringen keine Kinder um
und treten niemand seinen Schädel ein.
Schau mal, der eine, der dem andern
grad so lieb das Feuer gibt,
die sind wie Brüder –
freu dich, dass es überhaupt noch sowas gibt!
Ich bin der, der die Regeln bricht,
ich bin der Nichtraucher,
der über Raucher gut wie über Freunde spricht.
Für dich sind die nur wie Dreck,
lässt sie stehn und gehst weg,
und alle andern Cleanen
finden dann, du handelst korrekt.
Dabei würden sie ‘s sích gern mit dir gemütlich machen,
zusammensitzen, trinken, rauchen, was erzähln und lachen.
Brauchst du denn wirklich das Gesetz voll und ganz?
Es ist die Trauer, die sie inhaliern – es ist die Intoleranz.
Kannst du das Ghetto sehn? Kannst du es sehn?
Wie sie so freundlich da im Regen rumstehn –
und ha’m noch nie so gefrorn,
kannst du den Sinn verstehn, kannst du’s verstehn?
Aus ihrem eigenen Haus zwingt man sie raus,
und haben so wenig Zorn,
lass uns mal rüber gehen, lass uns mal sehen,
ich find den Passivrauch eigentlich schön,
bin ja schon drin geboren,
kannst du das Ganze sehn, kannst du es sehn,
wenn es zerfällt, kommt ein Riss in die Welt,
und dann ist alles verlorn.
im parkhaus ist es total schummerich
mir wird ganz blümerant, denn ich find meine wumme nich
gott sei dank, der frauenparkplatz liegt im licht
und prompt kommt so ne lady, baut sich vor mir auf und spricht:
junger mann, das geht so nicht, das geht so wirklich nicht
ich bin ein bösewicht, sagt sie, sie bringt mich vor gericht
falsches lachen, lachst du über mich,
baust du ne falle?
ich bin doch selbst ne lady, so wie du, so wie wir alle
warum müsst ihr dauernd eure regel haben
ihr wollt keine beschützer sondern schützengraben
glaubst du wirklich dass ich gerne mit dir streite
komm mal wieder runter und dann zeig ich dir meine weibliche seite
wir könnten shoppen gehn und ganz in frieden
pläne schmieden
ob scheide oder glied,
wir sind doch gar nich so verschieden
ich bin du und du bist ich, vertrauen und kein gegensatz
alles was uns trennt ist dieser frauenparkplatz
kannst du das ghetto sehn? kannst du es sehn?
im stadion die männer, die in der männerkurve stehn
und hamm schon wieder verlorn
kannst du die frauen sehn, kannst du sie sehn?
sie schlucken irre schwer an marillenlikör
und sind doch irgendwie vorn
lass uns mal rüber gehn, lass uns mal sehn
ich finde frauen ja eigentlich schön
bin ja daraus geboren [ich trink ja auch keinen korn]
kannst du das ganze sehn, kannst du es sehn,
wenn es zerfällt, kommt ein riss in die welt
und dann ist alles verlorn
diese aggressivität, das ist doch voll die härte
alles was hier zählt, das sind die inneren werte
emanzipation, nachhaltig und selbstbestimmt
und dass ein hurensohn wie ich sich nicht so danebenbenimmt
ich rappe für euch jetzt an der ganz kurzen leine
ich reiß mal an ganz kurz an, was ich damit meine:
zum beispiel große autos – interessieren mich nicht die bohne
ich fahr nie ohne plakette in die umweltzone
ob lesbisch oder schwul, das weiß doch jedes kind,
das ist doch ganz egal, wenn beide damit einverstanden sind
ich säg an meinem ast, ich bin zu allem bereit
ich geh nicht in den knast, ich geh in elternzeit
ich hab die schnauze voll vom harten brot
ab morgen sing ich bloß noch für claudia roth
zu den wurzeln zurück, und was ihr denkt ist mir wurst
zurück nach tempelhof in den deutsch-leistungskurs
kannst du das ghetto sehn? kannst du es sehn?
reihenhaus an reihenhaus, und licht aus um zehn
sonst gibt’s was auf die ohr’n
kannst du das ghetto sehn?
ich bin unterwegs
gymnasium in tempelhof:
rauhe schale, weicher keks
und sie lassen dich schmor’n
lass uns mal rüber gehn, lass uns mal sehn
ich finde tempelhof eigentlich schön
was ist aus uns gewor’n
kannst du das ganze sehn, kannst du es sehn,
wenn es zerfällt, kommt ein riss in die welt
und dann ist alles verlorn
Text: MM & Bov Bjerg, Jahresrückblick 07