Schneller leben

Schneller leben

Halbwertzeit (1986)

Reisende (1986)

Blasmusik (1986)

Manchmal (1979/86)

Ich fühl dich (1986)

Engel (1986)

Augen (1986)

Sibirien (1986)

Gehts dir gut (1985)

Nur in den Träumen (1985)

Ins Blaue (1986)

 

Schneller leben – Unveröffentlichtes

Bester Freund (1985)

Mein kleiner Kompagnion (1985)

Bei dir (1985)

Ein Wort zuviel (1985)

Unsichtbare Wand (1985)

Politiker (1985)

 

 

 

 

HALBWERTZEIT

Ey, Musikproducer,
ich spiel dir mal’n Song vor,
du weißt ja, wie das Sterben in den Wäldern blüht.
Ich sing vom Sauren Regen,
da muß sich was bewegen,
das wird so’n richtig geiles saures Regenlied.
Und der Producer sagt: ich schwimm auf deiner Welle,
Protest ist durchaus angesagt, aber immer auf die Schnelle,
und für den Wald wird doch schon ewig lang geworben,
Waldsterben, mein Alter, ist doch selber schon gestorben …

Jedes Ding hat seine Halbwertzeit,
immer nur soweit,
bis kein Hahn mehr danach schreit.
Jedes Ding hat seine Halbwertzeit
und jeder Horror nur begrenzte Haltbarkeit.

Ey, Musikproducer,
mein nächster Song wird schärfer,
mir gehts um Aids, du weißt ja, Hits soll’n sexy sein.
Das muß im Radio laufen, die Szene wird es kaufen,
denn jeder ist bei Aids mit seiner Angst allein.
Und der Producer sagt: ich hab nichts gegen Schwulsein,
nur, hör mal, Mauri, laß uns jetzt wirklich völlig cool sein…

Jedes Ding hat seine Halbwertzeit …

Ey, Musikproducer, diesmal hab ich’s im Gefühl:
hier kommt mein Hammersong über Tschernobyl –
und der Producer sagt: das wird’n Tränenzieher
für die nächste Katastrophe, nur dann komm etwas früher…

Jedes Ding …

Text zusammen mit Diether Dehm (1986)

 

REISENDE

Das war damals nach der Razzia,
wir hatten beide blaue Flecken vom Fallen
und die Haare war’n länger.
Wir rannten zufällig die gleiche Richtung,
wir sahen überall die Augen von Spitzeln
und der Kreis wurde enger.
Da war ein Jagen um uns rum.
Ah, komm, dreh dich nicht mehr um,
gib mir die Hand!
Wir holten Luft in einem Supermarkt,
wir sah’n die wunden Lippen der Kassiererin
und ihre fliegenden Finger.

Du sagtest:
Wir sind auf ‘ner Reise,
wir schau’n uns das nur an.

War das ‘ne Woche oder war es nur ‘n Tag,
als ich bei dir lag,
da flog die Welt durch dieses kalte Zimmer.
Wir sah’n Jahrhunderte von Menschen zieh’n,
wir war’n der Wanderer und die Zauberin,
und wir kannten uns schon immer.
Wir würden alles dafür geben.

Reisende.
Wir sind auf ‘ner Reise,
wir schau’n uns das nur an.
Ey, wir sind Reisende
mit dem Pass für ein leichteres Leben.

Und diesmal seh ich dich am Bahnhof steh’n,
du trägst ‘n Hund im Arm und du siehst müde aus.
Du hast die Augen wie früher,
und wie du mich anschaust jetzt,
erkennst du mich wieder -:

Wir sind auf ‘ner Reise,
wir schau’n uns das nur an.
Ey, wir sind auf ‘ner Reise
durch ‘n merkwürdiges Land.
Ich hab da noch was:
den Pass für ein leichteres Leben!

Wir sind auf ‘ner Reise,
wir schau’n uns das nur an.
Ey, wir sind auf ‘ner Reise
durch ‘n merkwürdiges Land.

(1986)

 

BLASMUSIK

Ich weiß nicht, wo das hin soll,
hab ich das denn bestellt?
Was ist das, ein Küchenroboter?
Kostet bestimmt ne Menge Geld.
Weiß gar nicht, was der hier tun soll,
ich leb seit Jahren allein …
Fälschen die neuerdings meine Unterschrift?
“Nee – fällt mir gar nicht ein!”

Ich weiß, alles wird anders,
es geht jetzt Schlag auf Schlag.
Nur eins soll immer bleiben,
das ist die Blasmusik am Sonntagvormittag.

Ah, das Kerlchen im Zeitfunk ist mal wieder mächtig cool drauf,
sagt: “Ey, in Afrika gibt’s n neuen Krieg,
und zwar exakt mit so was wie Burkina Faso” –
hast du ne Ahnung, wo das liegt?
Ich mein, die könn’ doch nicht alle selber schuld sein,
irgendwer verdient an dieser Burkina-Phase mit …
Ich weiß, ich weiß, das nervt, bin schon ruhig,
läuft ja auch schon der nächste Hit.

Alles wird sich ändern,
es geht jetzt Schlag auf Schlag.
Nur eins soll immer bleiben,
das ist die Blasmusik am Sonntagvormittag.

Solang hier noch ‘n Baum steht,
und die Bestochnen halten dicht,
solang soll sie uns bleiben,
unsre Blasmusik vor ‘m Sonntagsmittagstisch!

Ah, der joviale Riese sagt mal wieder: wird alles werden,
der sieht genau wie mein Nachbar aus.
Wenn ich den treffe, geht der immer grade zur Arbeit –
na, der hält das schon aus.
Ich glaub, ich geh in die Küche und schäl mir’n Apfel,
dafür ist es nie zu spät.
Wenn ich jetzt weiter rede, wird’s langsam Routine,
und wo bleibt die Gemütlichkeit?
Ich schwör’s euch:

Alles wird sich ändern,
es geht jetzt Schlag auf Schlag.
Nur eins soll immer bleiben,
das ist die Blasmusik am Sonntagvormittag.

(1986)

 

MANCHMAL

Du, ich kenn dich gut,
manchmal kenn ich dich gut.
Dass du da bist, das macht mir Mut,
manchmal macht mir das Mut.
Ist ‘ne ganze Weile her:
ich sah dich und ich dachte, ich will mehr von dir.
Ich hab getan, was jeder tut –
manchmal tut dir das gut.

Manchmal waren wir so lieb,
zwei Blumen, die der Südwind wiegt.
Manchmal warst du ein Dieb,
Hast genommen, was es nachher nie mehr gibt.
Manchmal bin ich ein kleiner Junge,
der schreit sich seinen Trotz aus der Lunge
und glaubt, dass ihn jeder betrügt.
Fast schon zuviel, dass es dich gibt.

Du bist jetzt weit weg,
wenn ich dich ruf, hat das keinen Zweck.
Da geht ‘n Flugzeug ab nach Westen,
säß ich drin, das wär am besten,
in einer Stunde wär ich schon vor deiner Tür.
Manchmal warst du viel zu gut zu mir.

Die Gedanken gehen hin und her –
manchmal sind sie nur bei dir.
Oh, die Träume gehen hin und her –
manchmal sind sie nur bei dir.
Und meine Wünsche gehen hin und her –
oh, manchmal sind sie nur bei dir.

Oh, manchmal.

(1979/86)

 

ICH FÜHL DICH

Du hast mich geradeaus angelacht,
du sagtest: ich bin gern allein,
wir wußten, es ist nur für eine Nacht,
wir wollten beide nicht romantisch sein.

Heut früh fiel die Tür ganz leise ins Schloß,
der Knall wurde in mir erst laut,
dein Parfum auf’m Kissen schlägt jetzt erst los,
Lippen in meiner Haut.

Ich fühl dich,
und du bist gar nicht da,
oh Mann, was ging das nah,
so wenig und so toll, wie’s war.

Gefällts dir? ha’m wir uns nicht gefragt,
kein Schwur, nur nicht zuviel,
ich hab ganz lässig Tschüß gesagt,
ich haß mich für dieses Spiel.

Ich wünsch mir dein eines Wort zurück,
das war’n Knaller in meinen Ohren,
zeig mir nochmal diesen Lippentrick,
ich bin ja längst verloren.

Ich fühl dich …

Wo ist jetzt meine Freiheit hin?
Ich seh nur dich, ich seh nicht klar,
dein Kuß schlägt Wurzeln tief in mir drin,
wo sonst noch niemand war.

Ich fühl dich …

Text zusammen mit Diether Dehm (1986)

 

ENGEL

Da is ‘n Froschmann in der Küche
und ‘n Gorilla vor der Tür,
und immer, wenn ich durch will,
sagt der: Ey, Junge, du bleibst noch hier!

Ich glaub, ich brauch ‘n Engel,
‘n Engel für die Nacht,
einen, der aufpaßt und mich bewacht.
Knallharter Engel,
der einfach alles macht.

Oh, da kommt Mona aus dem Spiegel
und fragt: Auf wen hast du gehofft?
Sie trägt ‘ne Spinne auf den Lippen
und sagt: Ich bleib, solang die Party läuft.

Ich glaub, ich brauch ‘n Engel,
‘n Engel für die Nacht,
einen, der aufpaßt und mich bewacht.
Knallharter Engel,
der einfach alles macht.

Ich glaub, ich brauch ‘n Engel,
‘n Engel, der mich führt,
‘n Engel, der mich festhält,
eh hier was passiert.

Der Mörder sagt zum Schoßhund:
Du bist ‘n hübscher Mann,
der Schoßhund springt auf’s Fenstersims
und sagt: Ich schau dich auch schon dauernd an.

Ich glaub, ich brauch ‘n Engel…

Text zusammen mit Ulli Dornieden (1986)

 

AUGEN

Wieviel Augen hat der Würfel,
ist die sechs denn besser als die Eins?
Wenn du Glück hast, wirst du’s brauchen,
wenn du’s brauchst, dann hast du keins.
Ich kenn Augen, die mich anschau’n,
als wär ich nur ‘ne Zahl.
Doch ich kenn auch zwei Augen,
die sind wie ein Brunnen,
in den ich fall und fall und fall.

Ich bin keiner zum Vergucken,
keiner für ‘nen kurzen Augenblick.
Wer dir heut sagt, was er morgen sehn wird,
der kam gestern blind zurück.
Ich kenn den Blick meiner Lehrer,
wenn sie sagten, daß ich aufstehn soll.
Doch ich kenn auch zwei Augen,
die sind wie ein Brunnen,
in den ich fall und fall und fall.

Und ich sag dir: ich verdurste,
und du sagst: komm mit ins Wasser.

Es gibt Augen im Vorbeigehn,
die sind wie ne Ladung Licht,
es gibt Augen, die siehst du jeden Tag,
nur ihre Farbe kennst du nicht.
Zwischen so viel fremden Blicken
wär ich gern unsichtbar manchmal –
doch dann sehn mich zwei Augen,
die sind wie ein Brunnen,
und ich fall und fall und fall.

(1986)

 

SIBIRIEN

Da war’n zwei Jungs in Sibirien,
die wollten nach Amerika,
und man ließ sie noch nicht mal nach Moskau rein,
das war ihnen klar.
Sie sagten: Ey, das is ‘n Traum,
zu schön, ihn zu vergessen –
wenn wir immer nach Osten gehn,
komm’ wir von selber nach Westen.

Es geht nicht um die Fahrt ins Glück,
es geht auch nicht um Politik,
es geht bloß darum, daß die Erde rund ist.
Vielleicht fällst du vor Kälte um,
doch dein Weg führt einmal rundherum.

Und in Alaska wohnt ein Mann, der heut nicht schlafen kann,
denn er hört einen Lärm vor der Tür.
Da steht’n Typ vor’m Haus, mit nem Pelzmantel an,
der fürchterlich friert.
Und der weiß nicht mehr, wofür es war,
und auch den Weg hat er vergessen –
nur daß er immer nach Osten ging
und wollte immer nach Westen.
Wenn du immer nach Osten gehst,
kommst du von selber nach Westen.

Es geht nicht um die Fahrt ins Glück,
es geht nur um den Augenblick,
wo dir klar wird, daß die Erde rund ist.
Vielleicht fällst du vor Kälte um,
doch dein Weg führt einmal rund herum …

Und wenn du immer nach Osten gehst,
kommst du von selber nach Westen.

(1986)

 

GEHT’S DIR GUT

Tage aus Glas,
wo die Sonne den Schnee taut,
Frühlingswind –
ich denk an dich.
Seh dich in dem engen Pulli
nach der Session im Macrameé,
zwischen Hüften von Jungs, die nichts taten als warten –
Augen wie ein schwedischer See.
Du sagtest: “Ey, ich kenn so‘n Lächeln,
jetzt hab etwas Mut…”
Wie war die Reise,
sag, geht‘s dir gut?

Du warst zu jung für die Stadt und den Abend,
wir rauchten, und du fragtest, ob ich leb davon.
Da war ein Weg direkt an deine Lippen,
und ich sagte: “Heut abend schon…”
Würd gern wissen, hast du immer noch dies Zimmer
mit dem Blick auf die Werkstatt, wo du Glashäuser baust?
Du sagtest, jede Mark von deinem Alten
zeigt dir, daß du besser selbst was klaust…
Trotzdem weiß ich: Dich wird nie einer kriegen,
du hast es im Blut –
also, wie war die Reise,
geht es dir gut?

Ey, wir liefen durch die Straßen von Lemgo,
wo nach zwölf kein Hund mehr bellt,
und wir verbrannten die Gesichter in den Fenstern –
soviel kostet die Welt…

Wir war‘n nur scharf auf eine Stunde,
die, wo wir Blitze sind.
Ich weiß, es wurden Wochen, Wochen und Wochen,
Vater und Tochter, nachher Mutter und Kind.
Und irgendwann, an einem Tag so wie heute
da sagtest du: “Schau weg – wir sind schon nicht mehr blind…”
Ey, du weißt, man kriegt‘n Nicken für sein Feuer
und‘n Kopfschütteln für seine Wut –
also wie war die Reise,
sag, geht‘s dir gut?

Frühlingswind soll immer da sein, wo du bist,
bei einer, die nie nur so tut…
Und wie ist die Reise,
sag, geht‘s dir gut?

(1985)

 

NUR IN DEN TRÄUMEN

Es gibt Männer, die gehen fort,
ohne sich umzudreh’n.
Ihre Dörfer steh’n unter Feuer,
sie wollen nicht untergeh’n.
Sie fliehen über die Berge,
und im Hafen einer fremden Stadt
stapelt man sie wie Gepäck,
das keine Bestimmung hat.

Es gibt Frauen, die winken nicht nach,
wenn ihre Männer geh’n
ins Gebirge, über die Grenze,
sie haben es kommen seh’n.
Und hocken sie nachts am Brunnen,
dann wirft der gekrümmte Mond
sein Licht in die fremden Städte,
von wo keine Antwort kommt.

Nur in den Träumen,
da ist alles davon voll,
wie es war und werden soll.

Ein Toast in der Lobby der Uno,
ein Dokument in weißer Hand.
Da ist der Klang einer Lederpeitsche,
schwarze Gesichter zur Wand,
ein Schuß in den Rücken
und dann ab dafür und verbrannt.

Nur in den Träumen,
da ist alles davon voll,
wie es war und werden soll.

Und da kommst du nie vor
und ich nie.

(1985)

 

INS BLAUE

Kein Spiel mehr mit Worten,
kein Fuß in der Tür,
kein Vorher und Nachher,
kein Gefühl dafür.
Hab den Mund voll vergessen,
hab nichts zu verzeih’n,
kein Drinnen, kein Draußen,
alles wird klein.

Ich bin ein Punkt vor der Sonne.
Wo flieg ich hin?
Immer weiter ins Blaue.
Ich bin mittendrin.

Da liegt ein Schatten auf den Straßen,
und der greift nach jeder Tür,
ein Lachen im Finstern,
ist das ein Mensch oder ein Tier?
Es gibt ‘ne Partitur
für alle Herzen dieser Welt.
Da ist ein Licht, das auf die Erde fällt.

Wie ein Punkt vor der Sonne.
Wo fliegen wir hin?
Immer weiter ins Blaue.
Wir sind mittendrin.

Text zusammen mit Ulli Dornieden (1986)

BESTER FREUND

Komm mit mir ans Fenster, komm ganz nah zu mir,
die Nacht liegt vor uns auf dem Sprung.
Was ich mir wünsch, ist alles hier im Zimmer,
da, wo du grad stehst.
Wenn du’s wirklich willst, dann zeig ich’s dir.

Du mußt gar nicht sagen, wo du warst, wohin du gehst,
vielleicht sag ich’s selbst, dann hör nicht zu.
Sieht’s auch nicht so aus, als wär’s für immer,
‘n kleines Wunder ist geschehn:
Wir zwei allein,
ich trau’s uns zu.

Und wenn der Wind dann wieder weht,
und jeder in ‘ne andre Richtung geht,
ich weiß genau, du bleibst für immer hier.
Denn du bist meine große Liebe
und mein bester Freund.

So viel fremde Blicke, wir gehn einfach durch sie durch,
Hand in Hand, als hätten wir’s geträumt.
Diese Nacht ist alles wie für immer,
und wir sind nur für uns.
Wenn du was hast für mich,
dann gib es mir…

Und wenn der Wind dann wieder weht…

(Sommer 85, mit Herwig Mitteregger)

 

MEIN KLEINER KOMPAGNION

Mein kleiner Kompagnion,
schau mich nochmal an,
wir ha’m uns lang nicht gesehn.
Dies Halstuch steht dir nicht,
schmal bist du im Gesicht,
verschwieg’ner Kompagnion,
es macht mich froh, dich zu sehn.
All die Expertenstimmen um uns rum,
wenn du hier bist, sind sie stumm,
wir müssen gar nichts weiter tun,
es läuft gut.
Wenn du nicht wärst heut nacht,
hätt ich längst kehrt gemacht,
bleib, kleiner Kompagnion,
bleib.
Ich seh dir zu und krieg Mut.

Wir treffen uns so selten
und ungern nur zu zweit,
wir wollten, daß es einfach bleibt
und dafür keinen Streit.
Wir spielen mit Bilanzen
und kosten uns kaum Zeit,
wir halten die Balance
und gingen nie zu weit.

(Sommer 85, nach ‘Funny Valentine’, für Katja Ebstein)

 

BEI DIR

Fünf Uhr früh, was will ich hier,
warum bin ich wach?
Niemand, auch nicht vor der Tür,
nur wiedermal ein Tag.
Die Dinge sehn wie gestern aus,
doch ich glaub nicht, was ich seh.
Warst du nicht grad im Traum bei mir
mit einem Wort, das ich nicht versteh?
Sag mir, was geschehn ist mit dir heute nacht,
ich bin von deiner Stimme aufgewacht.

Ich leb hier immer zwischendurch
mit Telefon und mit Klavier,
und manchmal übernachtet wer
und läßt mir Zigaretten hier.
Doch jetzt sag mir, was geschehn ist mit dir heute nacht.
Ich bin von deiner Stimme aufgewacht,
und ich wollt, ich wär bei dir.

Wir haben uns doch nur mal flüchtig in Hamburg gesehn.
Gut, wir mochten uns. Sonst war nichts geschehn.
Ich weiß, beim Abschied warst du so merkwürdig stumm
(ich wollt, ich wär bei dir),
und ich sagte noch: Adressen – komm, die liegen bloß rum.

Jetzt fehlt mir deine Nummer,
mir fehlt alles, was ich brauch,
und daß dich nicht finde, wenn ich such,
das weiß ich auch.
Aber du kennst doch den Weg zu mir,
ich glaub, du täuscht dich kaum:
Wenn du jetzt ganz fest denkst an mich,
dann komm ich vielleicht rein in deinen nächsten Traum.
Und dann sag mir, was geschehn ist mit dir heute nacht.
Ich bin von deiner Stimme aufgewacht.
Du hattest deine Arme ganz weit aufgemacht.
Und ich wollt, ich wär bei dir.

(Sommer 85)

 

EIN WORT ZUVIEL

Die Nacht war bös, bin ich wach oder im Traum,
seit wann sitzt du mir gegenüber?
Wo kommst du her? Ich seh dich kaum,
und deine Augen sind wie Fieber.
Du bist so still, wie ein Pfeil, eh man ihn schießt,
wenn du mir wehtun mußt, dann tu’s doch.
Ein Wort zuviel. Sag mir, was du von mir willst,
sonst geh. Geh heut noch.

Gleich wird es hell, und du ziehst dich langsam aus,
wie ein Fremder auf der Reise.
Was willst du? Willst du Geld, das Bett, das Haus,
warum bist du so feig und leise?
Du sagst, du liebst mich, doch du schaust mich gar nicht an,
wenn du mich los sein willst, dann sag’s doch.
Ein Wort zuviel. Sag mir, was ich für dich bin,
sonst geh, geh heut noch.

Ein Wort zuviel.
Du mußt dich jetzt entscheiden:
Ja oder Nein.
Ein Wort zuviel,
du kannst es nicht vermeiden:
Ja oder Nein.
Ich schau dich an und warte.
Weiß, du sagst es, weiß, du sagst es,
weiß, du sagst es gleich:
Das eine Wort zuviel.

Als ich dich traf, da war dein Blick so jung und schnell,
der schoß mich ab wie eine Beute.
Ich nahm dich mit, mein Bett war viel zu schmal,
aber es reichte für uns beide.
Als ich dich traf, war’n unsre Stunden ohne Zeit,
dreh dich nicht weg jetzt, sag: das stimmt doch.
Ein Wort zuviel. Zeig, daß du an mich glaubst,
sonst geh, geh heut noch.

Ein Wort zuviel…

(Sommer 85, mit UllI Dornieden, für Veronika Fischer)

 

UNSICHTBARE WAND

Ey, sie drängen durch den Eingang,
es wird enger hier am Tisch,
fast berühr ich deine Knie,
viel zu nah ist dein Gesicht.
Und wir tun, als wenn nichts wäre,
doch wo dein Glas noch eben stand,
suchen sich schon unsre Hände
durch die unsichtbare Wand.

Wir stehn beide gut im Kurs hier,
soviel ,Hallo’, ,Wie gehts’ – wie ein Spuk,
und die Gedanken werden scharf,
die reißen alles ab heut nacht.
Auch wenn wir morgen früh noch reden,
gib doch zu, es wär nicht genug,
wir sind schon losgerannt
bis vor die unsichtbare Wand.

Gebrannte Kinder scheun das Feuer,
da ist Glut auf dem Teppich, tritt sie doch aus!
Ich würde längst weg sein, ich will, doch ich schaffs nicht
an soviel Augen von Leuten, die warten, vorbei hier raus.

Jetzt laß uns nicht sein wie Experten,
Experten für Flirt und Flucht.
Schau dich um – na klar hat jeder was gefunden,
aber wer davon sitzt dort, wonach er sucht?
Da ist kein Spott in meinen Augen,
nicht auf den Ring an deiner Hand.
Komm, gib mir einen Blick von drüben,
aus diesem fremden Land
hinter der unsichtbaren Wand.

(Winter 85)

 

POLITIKER

Den Herrn da kennst du aus dem Fernsehn,
steht in der Drehtür vom Rittberger-Hotel,
stopft zehn braune Scheine in die Innentasche seiner Jacke,
sehr dezent, und seine Hand macht schnell.

Politiker sind Heuchler,
werfen Worte rum wie Dreck,
Politiker sind Lügner, radier’n dich weg für’n Scheck,
schau’n wie’n Nachbar in die Kamera
und schau’n wie’n Killer weg.

Politiker sind Heuchler,
ihre Worte sind wie Dreck,
Politiker sind Killer, radier’n dich weg für’n Scheck,
schau’n wie’n Vater in die Kamera,
schau’n wie ‘ne Ratte weg.

Ey, kauf dir’n Politiker,
laß ihn jede Stunde dreimal krähn,
für Geld tut der alles,
du wirst schon sehn.
Und nachher wird er brav wie ‘ne Schulmaus
in die nächste Sitzung gehn.

Der Mörder sagt zum Schoßhund:
“Du bist’n hübscher Mann.”
Der Schoßhund springt auf’s Fenstersims
und sagt: “Ich schau dich auch schon dauernd an.”

Politiker sind Leute,
die wirklich niemand braucht,
müssen immer was verfolgen
und was vernichten auch.
Politiker sind eigentlich das Ekelstück in dir und mir.
Na klar sind sie Heuchler,
und ihre Worte sind wie Dreck,
na klar sind sie Lügner,
radier’n dich weg für’n Scheck.
Schau’n in die Kamera rein wie’n Schwiegersohn
und schau’n wie’n Killer weg.
Egal, ob CDU SPD oder sonst was.
Dreh dich nicht um: Hinter uns läuft Dietrich Genscher…

(März 86)