Vielleicht vielleichter

Vielleicht vielleichter

Vielleicht vielleichter

Komisch

Die andere Seite

Neuer Tag

Weiße Fahne

Rettet den Diesel

Meine-Zeit-Blues

Carola

Die Bank am Welfenteich

Ganz normaler demokratischer Vorgang

Wenn der Berg sich bewegt

Du bist hier

Vielleicht vielleichter –
Zusätzlich

Unfassbar

Nachtbus 2

In der kalten Nacht (für Stern Meißen)

Doch

 
 
 
Vielleicht vielleichter

Da liegt ’n Zettel auf der Treppe,
abgerissenes Papier,
zwei müde Menschen lesen
das Wort Bald, morgens um Vier.
Aus den Bäumen tropft der Regen,
was geschehen ist, ist geschehen,
die beiden Müden spür’n den Sommer,
es wird anders weitergehen:

Nicht schnell, nicht noch schneller,
nicht grell, doch nicht noch greller,
noch nichtmal hell, eher was bleicher,
so lang versteckt, so unerreicht bisher
erwacht die Kraft, macht alles gleicher
und uns für uns – vielleicht vielleichter.

Die beiden Müden haben’s in sich
wie den Blütenstaub der Wind,
wahllos fällt die Kraft auf alle,
die ihre Passanten sind.
So im Nu wird es verbreitet,
Ich und Du, sag Wir, mach Halt,
da ist keiner, der es leitet,
treibt wie Atem, dieses Bald.

Nicht schnell, doch nicht noch schneller,
nicht grell, nicht noch greller,
noch nichtmal hell, eher was bleicher,
so gut versteckt, so unerreicht bisher
erwacht die Kraft, macht alles gleicher
und nebenbei – vielleicht vielleichter.

Läuft diese Botschaft um die Erde,
auch wenn sie fauler Zauber ist?
Wird je aus Massen eine Herde?
Wer kennt den Wunsch, der sauber ist?
Fern in einem Dschungel-Baumhaus,
Bagger massakrier’n den Wald,
geht einem müden Paar sein Traum aus,
zieh’n ein Blatt vom Stamm,
und da steht dies Bald.

Nicht schnell, doch nicht noch schneller,
nicht grell, nicht noch greller,
noch nichtmal hell, eher was bleicher,
so tief versteckt, so unerreicht bisher
erwacht die Kraft, macht alles gleicher
und unsre Welt vielleicht ja doch,
//: vielleicht vielleichter. ://

 
 
 
Komisch

Da war einer in meiner Klasse, jetzt auch schon über siebzig Jahre alt,
war früher mal Politikberater, macht jetzt lange Spaziergänge im Wald,
als ich ihn neulich traf, sprach er von Ex-Präsident Biden
und dessen Vergreisung,
er sagte: „Ich versteh die Hollywood-Autoren nicht mehr richtig,
wozu zwingen sie die Präsidentenpuppe zu so einer Entgleisung?
Den echten Joe Biden, den gibt’s nämlich schon lange nicht mehr,
wer sich auskennt, der wusste,
sie würden ihn morden …“
Und ich dachte: Oh Mann,
ich kenn wirklich Leute, die sind sehr komisch geworden.

Eine sitzt bei uns im Treppenhaus, hat sich einen Stuhl auf den Absatz gestellt,
von dort erklärt sie freundlich jedem, das sei ihr schönster Platz auf der Welt.
In ihrer großen Wohnung oben hätte sie einen Riesenfehler gemacht,
nämlich Rauchmelder installieren zu lassen –
natürlich würde seitdem jedes Zimmer überwacht, rund um die Uhr.
Sie hat alles untervermietet, sie hat nichts mehr zu tun
mit den gleichgeschalteten Horden –
ich kenn wirklich Leute, die sind sehr komisch geworden.

Da gab’s dies feine alte Paar mit ihrem Büchertauschcafé,
immer dezent und wissend mit einer Spur von Nostalgie,
ihr Laden ein Treff der Stillen, irgendwann blieb er leer,
der alte Kiez war hinüber, jetzt galten Worte wie queer und quer,
und eine Art Fieber die beiden egriffen hat:
Sie sagt jetzt dauernd, dass sie nicht mehr sagen kann, was sie denkt,
er läuft ’rum wie ein maroder Soldat,
der gegen den Ansturm von Wilden verteidigen muss
sein Kulturland im Norden –
manche Leute sind ziemlich anstrengend und dabei sehr komisch geworden.

Ihre lockig-dunklen Haare, ihr Schalmeienspiel,
das war, was die Menschen an ihr liebten und was ihr selbst an sich gefiel,
bis eines Tages ein paar Leute, superkrass fokussiert,
ihr klarmachten, dass ihre gesamte Existenz auf kulturellem Übergriff basiert.
Die Locken geklaut von den Rastafaris,
die Schalmei aus Asien hergeraubt vor fünftausend Jahren
– manche Leute sind von Anfang an,
schon von Geburt an so, dass sie immer schon sehr komisch waren.

Einer ruft Pazifismus
und umarmt den Aggressor.
Einer ruft: Alle Menschen sind gleich
und lässt sich anreden mit Herr Professor.
Eine influenced für den Klimaschutz,
verdealt Sonnenöl und so Sachen.
Und eine wirft ihre Schalmei in den Müll,
kauft sich eine Aktie von Rheinmetall
und denkt: Na, da wird man nicht so schnell was dran falsch machen …

„Sieht manchmal aus wie letzte Runde“, sagt einer mir direkt gegenüber,
„aber letzte Runden gab’s schon viele, und immer weiter ging’s, mein Lieber.“
Ich frag zurück: „Du bist also Optimist?“ Er schaut mich an und sagt: „Keiner
von uns beiden kennt den nächsten Moment, und der könnte ein Wunder sein, mein Kleiner.“
Und mir fällt auf, dies Gegenüber hat vom Rasieren eine Wunde,
und plötzlich krieg ich Lust zu singen, ich sing: „Letzte Runde, letzte Runde, letzte Runde…“
Bis die Badezimmertür aufgeht, meine Lebenspartnerin schaut rein und fragt: „Was ist eigentlich los?Du stehst hier vor dem Spiegel und redest seit ’ner Viertelstunde immer bloß mit dir selbst
und das in Worten, die manchmal vor Kitsch überborden …“
Und ich sag: „Na komm, wir wissen es doch beide, es gibt eben Leute, die sind
sehr komisch geworden.“
Besser ist: Man weiß über sich selbst Bescheid!

 
 
 
Die andere Seite

„Nimm was mit, nimm was in die Hand,
nimm’s zur Erinnerung, nimm’s als Pfand,
einmal kommst du hierher zurück,
und was dir heut’ Last ist, war dann dein Glück.

Dunkle Schächte, ganz unbewacht
haben als Kind schon dich mutig gemacht.

Bring den Stein hier durch die Finsternis
auf die andere Seite, wo Frieden ist.“

Er kam zurück, man erkannt’ ihn nicht mehr
nach so vielen Jahren, vom Brunnen tief her:

„Drüben birst alles vor Liebe und Licht,
sie gehen dort kopfüber und spüren es nicht,
ihr Frieden so heftig, mir war’s wie im Traum,
wen ich auch fragte, sie hörten es kaum.“

Da steht und lauscht er, wirft seinen Stein
in die Nacht nach der Stimme, wo wird sie sein?

„Nimm was mit, nimm was in die Hand,
nimm’s zur Erinnerung, nimm’s als Pfand,
einmal kommst du hierher zurück,
und was dir einst Last war, ist heut’ dein Glück.“

 
 
 
Neuer Tag

Langsam wird es hell
und heiß am Strand,
der Schatten der Berge
geht weg ins Land.
Ein Mann und eine Frau,
wachen langsam auf,
liegen da im Schlafsack,
denken beide nach.
Sie trafen sich im Flugzeug,
das war gestern nacht.
Da war die Insel noch ein Punkt im Wasser,
wo man Urlaub macht.
Sie sprachen vom Alleinsein,
jeder hatte seinen Plan,
doch sie blieben diese Nacht zusammen,
und jetzt schau’n sie sich an.

Neuer Tag,
so wie ein Tag sein soll.
Ey, das Meer ist wirklich groß.
Neuer Tag,
so wie jeder Tag sein soll.
Und die Reise geht erst los.

Niemand, nur die zwei,
und keiner spricht.
Er denkt: Wenn sie weg will,
warum sagt sie’s nicht?
Und sie weiß ganz genau:
Ein Mann und eine Frau,
das ist gar nicht, was sie wollte,
doch sie lacht ihm ins Gesicht.
Ein paar Schritte weiter
schlängelt sich ein Tier,
und sie beugt sich schützend vor und sagt:
„Die sind nicht giftig hier.“
Später will sie wissen,
ob er was zu essen hat,
und er lacht: „Nur diesen einen Apfel,
doch der macht uns satt!“

Neuer Tag,
so wie ein Tag sein soll.
Ey, das Meer ist wirklich groß.
Neuer Tag,
so wie jeder Tag sein soll.
Und die Reise geht erst los.

 
 
 
Weiße Fahne

Ein alter Mann sitzt still am Bordstein,
er freut sich, wenn ihn jemand grüßt.
Den meisten fällt zu ihm kein Wort ein
und zu dem Schild, das er entgegenhält und weiß, dass es kaum einer liest.
Gebt Waffen für den Krieg, steht d’rauf geschrieben,
die Ukraine bricht in Trümmern ein.
Nicht mehr ganz neu, und kaum noch Reaktionen,
und wenn’s mal eine gibt, dann nochmal eins zu zwanzig: Ja und Nein.

Die Welt wird einfach, ist man erst mal Pazifist,
man weiß dann, dass durch Waffen nie ein Frieden ist.
„Besser halt still“, sagt man dem Angegriff’nen kalt,
„der dich da foltert, hat den Status von Naturgewalt
– und gegen ein Gewitter würdest du doch auch nicht um dich schlagen…“

Ein alter Mann sitzt still am Bordstein,
ein Pulk nächtlicher Krakehler um ihn ’rum.
„Ja, Stellvertreterkrieg, das ist genau das Wort, sein
Sinn die Ausdehnung von unser’m West-Imperium.
War doch immer so. War nie anders.“
„Die mir die Kinder nahmen, Frau und Enkel“,
sagt da der Alte ruhig in den Lärm,
„das waren Drohnen aus dem Bruderland im Norden,
von dem es immer hieß, wie eng verwandt wir wär’n.“

Die Welt bleibt einfach, ist man erst mal Pazifist,
da sucht man das Gespräch, egal, wie faul es ist.
„Was hast du an dir“, fragt man den Gequälten kalt,
„das diesen Gegner provoziert, finde es bald –
damit wenigstens unser Frieden hier erhalten bleibt!“

Ein alter Mann steht auf vom Bordstein,
geht um die Ecke, steigt in seinen SUV.
Kann Deserteur für ihn das richt’ge Wort sein?
Ein Wort galt auf der Fahrt von Charkiv bis hierher, und das hieß: Flieh!
Und für so einen sollen wir jetzt einstehen,
einem, der Geld und Mittel hat, die Zweite Heimat sein?
Darf man das überhaupt: kein Teil vom eigenen Volk sein?
Jeder an seinem Platz – sonst fällt noch uns’re Ordnung ein …

So herrlich einfach ist die Welt dem Pazifist,
die weiße Fahne flattert, damit Frieden ist,
im Bombenhagel weht sie als ein Gruß:
„Hier, nimm die Fahne, sie ist weiß – und dann ist Schluss.“

 
 
 
Rettet den Diesel

Ich hab für Werbesprüche eine Agentur,
den Content bestimmt die Kundschaft pur.
Man bestellte bei mir Sprüche gegen Grün,
der Auftraggeber blieb am Anfang anonym.

Ich schlug vor:
Ein Obergrüner steigt in seinen BYD,
torpediert damit die deutsche Industrie.
Ich dacht’ noch: Halbgar, die Pointe ziemlich schlapp –
doch die Leute schrie’n Hurra und fuhr’n drauf ab!

Ich sag:
Die Fette mit dem lügnerischen Namen Lang
dreht mental am Rad, essstörungskrank.
Mir wurde übel, weil ich weiß, wohin das führt –
doch schon brach Jubel aus, es funktioniert.

Rettet den Diesel, billigstes Öl,
das Fleisch der Heimat zischt auf dem Grill.

Ein Anfang war gemacht, es war’n die Blauen,
die mich bisher bezahlten, hab das Zeug schnell ’rausgehauen,
doch dann kam wer vorbei von der Einfrau-Partei,
bestellte Schärferes, ganz faktenfrei.

Die kleinen Kinder in den Schulen sind verhetzt,
nur wer bereit ist, sein Geschlecht zu wechseln, wird versetzt,
vor jedem Haus ein farbiger Monteur,
der reißt die Heizung raus und treibt die Scheidungsquote höher,
und Regenbogenfahnen flattern vor’m Gericht,
in den Kantinen wird Insektenessen Pflicht.

Weg mit der Ampel, dem Todes-Trio,
wir sind die Bio-Deutschen, das ist unser Bio.
Rettet den Diesel, kämpft maskenfrei
gegen Genderzwang und Ökotyrannei.

Gab Landtagswahlen. Für die Altparteien ein Brocken,
Blau und Rotblau fingen an zu zocken:
Brot, Wasser, Seife, strengste Grenzkontrollen
bei No Asyl – wenn Flüchtende her wollen.

Ich schloss die Augen und rief: „Ist hier jemand fremd,
woll’n wir ihn nackig sehen bis unter’s Hemd?“
Das kauften nicht nur Merz und Söder, nein, fast alle
sprachen es nach in ihrer Überbietungsfalle.

Vergesst Europas gastliches Wesen,
falls es das jemals gab, das war’s gewesen,
baut glühende Zäune, kippt Boote ins Meer
und die Hoffnung auf Partnerschaft hinterher.

Dann fing es an zu schütten, Fluss in Fluten,
ich bot an ‚Klimaschock‘, ‚letzter Tag zum Sputen‘,
aber kein Kunde kam und mir war beschieden:
Jetzt red’ doch nicht vom Wetter – es geht um Krieg und Frieden,

geht um die Bellizisten, um die Rüstungstreiber,
geht um die hochtrainierten grünen Weiber,
die in den Talkshows militärisch denken,
anstatt ihr frauliches Verzeihen zu verschenken.

Regionalkriege: das Top-Thema,
wenn die mal fertig sind, komm’ wir zurück aufs Klima,
Sie schienen alle d’ran sich zu gewöhnen
an dieses Irre, auch der Rest der Grünen.

Da zieh’n sie hin, dem neuen Tag entgegen,
rettet den Diesel, um keine Ausrede verlegen,
ich war sie alle los, ich wusste nur,
die neuen Sprüche schrieb ’ne and’re Agentur.

Mein Obergrüner mit dem Draht zur Industrie
fährt jetzt privat den großen BYD.
„Es ist ein Rätsel“, sagt er, „um die Politik,
man geht nur vorwärts und kommt nur zurück.
Würd’ gern am großen Ganzen ein paar Schrauben dreh’n,
kann es vor lauter Kleinkram bald schon nicht mehr seh’n,
man hat die Riesenlast kurz angehoben,
hat sie in eine Richtung bisschen vorgeschoben,
da fällt sie einem wieder aus der Hand.
Man selbst wird dadurch kurz mal interessant,
lässt sich stolz und müde durch die Netze zieh’n,
natürlich reicht das alles gar nicht –
doch was solls?
Mehr war nicht drin!“

 
 
 
Meine-Zeit-Blues

Geb mein Passwort ein,
das gleiche wie beim Banken,
nur die Null lass weg,
und Großschreibung: dran denken.
Dreimal klappt es nicht,
neu registrieren,
wieder falsch – hör ich jetzt
praktisch auf zu existieren?
So ein vertaner Tag,
ich häng ganz oben an der Decke,
tut mir Leid:
das ist kein Land für mich
und ist nicht meine Zeit.

Flüchtlinge hocken eng
gepackt in Lagerräumen,
schlagen sich halbtot,
können nicht mehr träumen.
Für sie gilt Arbeitsverbot,
während drumherum die fluchen,
die für so ziemlich jede Sorte Arbeit
so ziemlich jede Sorte Menschen suchen.
Verkorkste Dreckslogik:
Welcher Politiker hat einen Dank
übrig an den Messerstecher, der ihm den Rücken freihielt
für den Stimmenfang?
Statt einer Antwort hör ich:
‚Flüchtlinge‘, das sagt man aber nicht.
Ich komm nicht ’runter von der Decke,
tut mir leid –
das ist kein Land für mich,
das ist nicht meine Zeit!

Aber welche dann,
fragt ganz charmant mein Nachbar,
der mir manchmal gern von Bars erzählt,
wo er die letzte Nacht war.
Wind of change, sagt er,
weht durch die Clubs, du alter Mann,
die Straffen und die Toughen, nicht die schlaffen Paradiesvögel,
die du so magst, ziehen an.
Jens-Spahn-Typen.
Kicken mit Santori-Schuh’n zusammengerollte Heimatlose
weiter in den Dreck –
was war das für ein Angstgefühl,
kommt sowas jetzt zurück?

6 Uhr früh Anfang November in Italien, meine Lebenspartnerin weckt mich:
„Ich weiß, ist nicht grad deine Uhrzeit“, sagt sie, „nur eine Kurznachricht an dich,
das Monster auf der ander’n Seite des Atlantiks ist zurück auf seinem Thron.
Aber jetzt, wo ich dich schon mal wach hab, lass uns runter durch Neapel, der Morgenkaffee gurgelt schon …“

Geb mein Passwort ein,
jetzt mit Face-Id,
die digitalen Weiten,
sie enden nie.
Erfahre wiedermal,
dass ich nicht existiere,
sollte froh sein drüber,
doch ich friere.
Man sagt, im Kosmos gehen grundfremde Seelen aufeinander zu.
Das ist zu früh für mich, ich brauch ein Du.
Doch hier, wenn einer fragt: Wann geht’s denn los mit eurem Abwehrkampf für die Natur?, kommt eigentlich nie als Antwort: Jetzt!
Stattdessen fühl’n wir alle uns irgendwie hintangesetzt.
Wie eine Spinne komm ich langsam von der Zimmerdecke runter auf den Teppich zu –
tut mir Leid:
das war und ist mein Land,
ich bin ein Teil davon.
Und bleibt uns kaum noch Zeit.
Das war und ist mein Land,
ich bin ein Teil davon.
Und bleibt uns kaum mehr Zeit.

 
 
 
Carola

Irgendwann konnt’st du das nicht mehr,
dich spannen für so viel Verkehr.
Millionen Räder zieh’n davon,
ein weicher Stahl hält den Beton.
Fachleute hatten vorgewarnt,
Zusammenbruch in Zahlen getarnt,
richtig glauben tat man’s nicht,
so selten eine Brücke bricht.
Du trugst uns hin und her,
wir sah’n dich längst nicht mehr,
du stöhntest: „Hört doch, hört doch her –

Das ist doch nicht nur eine technische Frage,
wer schafft euch über’n Fluss, wenn ich versage?
Ich will Vertrauen und will Schwung, wenn ich euch trage,
da war mehr Missstimmung und Hass, so manche Tage …“

Die Brücken hier in diesem Land
sind immer weniger in Stand,
so wie die Leute, die sie gehen,
die eigne Unlust nicht verstehen.
Sie liefen hin und her,
achteten gar nichts mehr,
du stöhntest: „Hört doch, hört doch her –

Das ist doch nicht nur eine technische Frage,
braucht ihr das and’re Ufer noch, wenn ich versage?
Ich will Vertrauen und will Lust, wenn ich euch trage,
stattdessen Missstimmung und Hass, verzeiht, wenn ich das sage …“

Brücken
sind zum Verbinden,
Brücken
zum Streunen und Finden,
Brücken
von Ufer zu Ufer,
für Massen und einsame Rufer,
Brücken
zum Überwinden,
und auch für die, die leis von den Geländern weg verschwinden.

Man sagt, die Reiche dieser Welt
mit freiem Wegenetz, das hält,
die war’n gemacht für lange Zeit,
und Leben dort Beweglichkeit.
Während Staaten, die sich Feinde säen
und Menschen, die sich einsperr’n geh’n,
den Schmerz nicht seh’n im eig’nen Tun,
deshalb gegen das Glück immun.

Brücken
sind zum Verbinden,
Brücken
zum ins Fremde verschwinden,
in den Abgründen
zwischen dem Willen,
der Strenge, der Klarheit und den Gefühlen.
Brücken
zum Überwinden,
und auch für die, die liebevoll im Schatten ihrer Pfeiler zueinander finden.
Und auch für die, die sich am Ufer gegenseitig ihr Glühwürmchenlicht entzünden.
Und auch für die, die leis von den Geländern weg verschwinden.

Brücken. Sind einfach Brücken.

 
 
 
Die Bank am Welfenteich

Der Blumenmann dankt für die Treue,
seit gestern früh hat er zu.
Sein leerer Laden sehnt sich auf’s Neue,
sieht so wenig vor sich wie Du.
Du verlässt früh Deine Zimmer
würfelst aus, welchen Weg du heut’ nimmst.
Plan und Ziel, das brauchtest du immer,
auch wenn jetzt niemand mehr fragt,
woher du kommst.

Nur ein Blick auf die hastigen Streuner
in den Straßen, gequoll’n von Verkehr.
Was noch gestimmt hat vor Jahr’n mit den Punks, der Kartenspielerin,
das stimmt schon lange nicht mehr.
Glaubst der Stadt nicht mehr ihre Buntheit,
und der Zeitung nicht den Weltstadtrang,
läufst zum Welfenteich, niemand da gottseidank
auf der alleinstehenden Bank.

Hast im Schopf deine Bilder von früher,
sie stehen Kopf und tun dir nicht gut,
du warst weit vorn, warst ein Typ zum Führ’n und Verlier’n,
so solid, wie ein Spieler halt tut.
Pack sie weg, die paar ganz üblen Szenen,
an deren Ende du allein warst und blank
auf dem Hohlweg hierher, ohne Selbstmitleid mehr,
morsch wie das Holz dieser Bank.

Ach die Einsamkeit – ach die Einsamkeit – ach die Einsamkeit – sucht Gemeinsamkeit

Hast geträumt, und jemand setzte sich zu dir
im blumenbestickten Kleid,
und sagt: „Mein Laden ist jetzt dicht, was zu tun hab ich nicht,
nur diesen Riesensack voll mit Zeit.
Tut mir Leid, ich will ja nicht stören,
doch sieht so aus: wir Zwei sind allein
wie paar Hunderttausend andere auch, warum nicht nach altem Brauch –
ich wär – wie man heut so gern sagt – damit fein?“

Und du grinst und siehst in der Zeitung
vom Bezirksparlament einen Bericht,
da steht: „Die Bank am Welfenteich braucht Unterhaltung“ –
na, probieren wir’s mal, warum denn nicht?

Ach die Einsamkeit – ach die Einsamkeit – ach die Einsamkeit – sucht Gemeinsamkeit,
ach die Einsamkeit – ach die Einsamkeit – ach die Einsamkeit – sucht Gemeinsamkeit.

 
 
 
Ganz normaler demokratischer Vorgang

Die Frauenfußballmannschaft in Fotos an der Wand,
Hochglanzplakat am Eingang: ‚Unser neues Deutschland‘,
in Gläsern perlt Holundersekt, ganz selten nur ein Bier,
Picassos Friedenstaube auf einer Leinwand bei der Tür.
Das Mädchen, das den Sekt einschenkt, sagt „Auf die Neue Zeit“ –
sie ist so schrecklich aufgeregt, sie tut mir beinah Leid.
Ich bin per Zufall reingeweht, hier geht’s um Politik,
keine Ahnung, wer den Abend schmeißt – ich lehne mich zurück.
Die Menge tobt und wartet mit den Handies in der Hand,
über’m Podium ein Spruch in Rot: ‚Wir haben keinen Krieg mit Russland‘.
Ich denk: Das klingt nach Wagenknecht, nach dem Verein, der jetzt so motzt,
die Musik würd’ dazu passen: erst die Puhdies, dann die bots.
Dann Lichter aus und Jubel, Blitzgewitter auf der Strecke,
ich frag: “Wer ist das da am Rednerpult, ich seh ja nichts, wenn alle steh’n -“
Ein Mann sagt neben mir: „Sie kenn’ den nicht – ist unser Wichtigster – Björn Höcke!
Und übrigens, wenn wir dem jetzt alle ein gemütliches ‚Heil‘ entgegenrufen, dann bitte nicht
erschrecken, das ist dann ein ganz normaler demokratischer Vorgang!“

Inmitten der Verzückung seufzt eine Dame neben mir:
„Er kann so klar und grausam sein, und deshalb bin ich hier.“
Eine andere sagt: „Ich war mal grün, war ganz im Clinch des Wahns
von Toleranz und Offenheit, jetzt will ich Ordnung Ordnung Ordnung, gegen die Afghanen-Clans…“
„Verlor’nes Land, nicht einmal Nasser Sommer darf man sagen
in dieser woken Heizungsdiktatur – wo geht’s zurück zu unser’n alten Tagen?“
Und wie durch Zauberei mischt all das sich im Rednersprech –
„Erst abschottet und ganz für sich lebt Europa frei und recht!“
In dem begeisterten Tumult schau’n mich zwei Ordneraugen an:
„Du sitzt hier so zurückgelehnt, was passt dir denn nicht, Mann?“
Ich sag: „Ich höre einfach zu, will mich als Bürger informieren.“
„Darf ich zur Abwechslung ein Pärchen rote Ohr’n servieren?“
„Lass ihn, das ist sein gutes Recht“, sagt da ein zweiter Ordner schlicht,
„heut’ ist hier Tag der Off’nen Tür – keine Angst, mein Herr – “
„Lass dein Gefuchtel! Denn wenn der weiter so blöd grinst und bei der Rede vom Chef nicht
einmal applaudiert, schmeiß ich ihn trotzdem raus, die Schwuchtel… Und wenn es dazu kommt,
dann ist das ein ganz normaler demokratischer Vorgang! Hat gestern noch unser Anwalt gesagt…“

„Ich glaub, jetzt könnt’s hier mal mit Schnaps losgehen…“ – „Spricht denn Alice heute gar nicht?“ „Die jobbt im Bundestag. Hier ist das Volk.“ – „Natürlich macht mir vieles Angst. Aber wer leistet denn sonst noch echte Opposition? Das gute russische Öl? Kastration von Kinderschändern? Frieden? All die Dinge, die früher mal ganz normal waren?“

Frauenfußballfotos unter den Sohlen von Straßenschuh’n,
Mitternacht vorbei, das Neue Deutschland geht sich ausruh’n
für seine nächsten Schlachten gegen schwach und arm und fremd.
Auf der Leinwand jetzt Robert Habeck, Unterschrift ‚Das letzte Hemd‘.
Die eine Dame zeigt der ander’n ihr Reichsbürgerin-Tattoo.
Die beiden Ordner und das Mädchen sind beim Fachkräftemachen im Klo.
„Jetzt sind wir beinah unter uns“, sagt g’rad der Chef, „das Schicksal meint es gut. Immer wieder findet sich ein neuer Irrer mit nem Messer. Schon verrückt… Es könnte es wirklich bald so kommen wie vor neunzig Jahren. Die Koalitionspartner, die suchen wir uns noch aus. Wir werden erst mitregieren und dann natürlich führen. Und bis dahin hat unsere Lesbe ihren Job sehr gut gemeistert. Die Lager steh’n für alle offen. Wer jetzt nicht bremst, rast mit uns. Fahr zur Hölle, alte Ordnung. Kameraden, freu’n wir uns auf diesen letzten ganz normalen demokratischen Vorgang! Wenn das Volk noch einmal wählt. Ab dann ist Rauschen im Gehörgang.
Trinken wir darauf. Auf den letzten ganz normalen demokratischen Vorgang!
Vielleicht machen wir später sogar mal einen Feiertag daraus…“

 
 
 
Wenn der Berg sich bewegt

Es ist kühl auf der Terrasse abends,
Weinranken unterm Halbmond.
Die Dame mit dem Sonnenglas fixiert mich,
als wär’ ich ein Geheimnis für sie.
Wie lange bin ich hier?
Diese Nacht könnte ewig her sein.

Im Gebirge traf ich einen Mann,
der schlachtete ein Schaf und sah mich an.
Er sagte dann: Das alles, was her wächst und blüht,
das wird ein Ende haben, wenn der Berg sich bewegt.

Ich fragte: Wann?
Und er lachte: Das ist nur ein alter Fluch.
Im Tal, da gehen die Uhren anders,
da macht die Scherze der Präsident,
und ein Fluch ist es geworden,
wenn man nur seinen Namen nennt.

Wenn der Berg sich bewegt,
springen alle die kleinen Zierfische ins Meer,
und wenn wir stolz genug sind,
gehen wir hinterher.
Die Sonne wird ein trudelnder Fleck,
niemandem gilt dies Telefongespräch mehr.
Und ich wünsch mir, dass dein Arm sich noch einmal um mich legt,
wenn der Berg sich bewegt.

Ich wär jetzt gerne bei dir,
ich glaub, du denkst an mich.
Aber da, wo ich bin, ist es gut.
Ich wollt’, die Nacht wär endlos.
Die Dame mit dem Sonnenglas kommt näher,
ihr ist jetzt sehr nach einem Gespräch.
Sie fliegt morgen nach Damaskus, das muss aufregend sein.

Wenn der Berg sich bewegt,
springen alle die kleinen Zierfische ins Meer.
Wenn wir stolz genug sind,
gehen wir hinterher.
Die Sonne ist ein trudelnder Fleck,
niemandem gilt dies Telefongespräch mehr.
Und ich wünsch mir, dass dein Arm sich noch einmal um mich legt.

 
 
 
Du bist hier

Wenn von deinem Weg voran du nur die letzten Meter kennst,
vertrau ihm trotzdem, du erlebst ja, wohin’s geht.
Wenn du den Bahnsteig vor dir siehst und glaubst, dass du jetzt allerletzte Meter rennst,
hat dein Weg vielleicht nur unter dir gedreht –

Nimm den Kopf von den Knien,
schau dich um: hier ist schön,
und es wartet nichts darauf,
dass du es begrüßt.
Lass die Sehnsucht flieh’n,
lass sie von dir zieh’n.
Du bist hier,
es ist schön und ist wüst.

Wenn dich dein eigenes Wort so fremd anfällt, als käm’s von hinter’m Zaun,
sag es trotzdem, es ist deins, wer sagt es sonst?
Bei diesem Jahrmarktston von Ansagern, die sich nur phrasenweise auszudrücken trau’n,
Funktionäre abwaschbarer Heimatkunst.

Komm auf den Bahnsteig rauf,
giftfarb’nes Kraut
in blühender Geduld
sprießt aus dem Zug,
der hier schon ewig steht.

Dass unser alter Reiseplan noch immer gilt, das stammt aus and’rer Zeit,
wir müssen lachen
doch wir wissen noch, wie’s geht –

Nimm den Kopf von den Knien,
schau dich um: hier ist schön,
und es wartet nichts darauf,
dass du es begrüßt.
Lass die Sehnsucht flieh’n,
lass sie von dir zieh’n.
Du bist hier,
es ist schön und ist wüst.

 
 
 
Unfassbar

Wir warten auf dem Bahnsteig auf den IC nach Halle. Der Zug kommt auf die Minute pünktlich, und ein Mann neben mir sagt: „Eigentlich unfassbar.“
Als der Zug gehalten hat, bleiben die Türen noch zu. Manche schimpfen, manche halten es für eine Vorsichtsmaßnahme, aber der neben mir und ich, wir sind erfahrene Reisende, wir wechseln einfach ein paar Worte.
„Ich kenn Sie irgendwoher“, sagt der andere, und ich antworte: „Stimmt. Wir standen grad beide im Bahnhofsklo, Schulter an Schulter. Pinkeln für 1 €, immerhin: teurer geworden ist es nicht.“
„Ja“, sagt er nachdenklich, „unfassbar, oder?“
Die Türen zum IC bleiben immer noch zu. Jemand vom Roten Kreuz rüttelt an einer und geht dann weg.
„Die Außenbezirke hier sollen ja neuerdings voll von Wölfen sein“, sagt mein Mitreisender – ich warte schon auf seinen Nachsatz, aber diesmal liefert er ihn nicht. Stattdessen mischt sich eine Gestalt in Jeans und Parka ein, zottelig wie vor 50 Jahren: „Wölfe in Dahlem – wenn das ma’ nicht die Haustiere der Villenbesitzer dort sind…“ – „So wie der Löwe von Kleinmachnow sich auch als Zeitungsente rausgestellt hat, was?“ fragt einer dazwischen und löst eine kurze Stille aus, denn keiner kann mit dem Beitrag was anfangen.
Eine junge Schaffnerin hat inzwiswchen ganz unauffällig alle Türen inspiziert, sorgfältig, aber erfolglos. „Machen Sie das immer so?“, fragt der Zottelige fies, „diese Mühe?“
Die Schaffnerin erwidert erschöpft: „Der Zug wird wohl noch von innen gereinigt.“
„Von innen gereinigt“, ruft der mit dem Löwen von Kleinmachnow, „wie die Ukraine, was? Vor den Faschisten?“ Wieder ist es kurz still. Aber die Schaffnerin hat sich jetzt gefasst. „Ich bin von da“, sagt sie, „und wenn Russland irgendwen vom Faschismus hat reinigen wollen, dann hätten sie besser sich selbst angegriffen. Dieser sogenannte Löwe übrigens“, sagt sie mit einer Art Wut auf uns alle als Gruppe, „das war ein Kangal gewesen, türkischer Hütehund, vom gleichen Schwarzen Meer wie mein Heimatland, und Beißkraft 20% mehr als beim Löwen!“ – „Wenn die Bahn mal so viel Beißkraft hätte“, rufen mehrere, und der Zottelige sagt: „Die GdL hat die Beißkraft.“
„Es gibt immer wieder Leute“, ätzt der Kleinmachnow-Typ „die wollen so dumm sein wie unsere Regierung, was?“Und in die Schweigepause sage ich zu meinem Mitreisenden: „Das Warten löst die Zunge. Alle lassen sich ein wenig gehen. Eigentlich ganz hübsch.“ Er nickt mir mit leuchtenden Augen zu: „Und unfassbar…“

„Hier in Berlin gibt es eine Straße“, sagt er dann, „da hatten sie Tempo 30, weil die Feinstaubbelastung so groß war. Dann hat man festgestellt, dass die durchs Langsamfahren stark runtergeht, und sofort hat die Verkehrssenatorin die Tempobegrenzung wieder aufgehoben. Gab ja jetzt keinen Grund mehr dafür.“ – „Das nenn ich mal eine schlaue Regierung“, sagt der Zottelige. „Vielleicht hatten sie ja auch was Gutes vor“, meint mein Reisender, „vielleicht werden Fußgänger und Radfahrer durch Feinstaub immun. Vielleicht wollten sie die ja stärken.“
Der Kleinmachnow-Typ schnaubt verächtlich: „Nichts wird besser“, sagt er entschlossen. Die junge Schaffnerin tritt jetzt aufgeregt vor uns hin, ihre Wut scheint verflogen: „Noch eine Geschichte dazu“, ruft sie, „neulich an einer Kreuzung, da ist ein Lastwagen nach rechts gebogen, hat eine Gruppe von Radfahrenden gesehen, hat gebremst, die haben auch gebremst, sind abgestiegen, man hat sich zugewunken, Kusshände getauscht, und dann ist eine Weile lang gar keiner mehr gefahren. Gibts also auch. Und wünsch ich mir so für zu Haus!“
„Gibts also auch“, rufen der Reisende und ich wie aus einem Mund und ersparen uns das gewisse Wort.
„Das gibt’s so selten wie einen Kangal, der sich als Löwe tarnt“, sagt der Zottelige. Im selben Moment kommt die Ansage aus den Bahnhofslautsprechern: „Meine Damen und Herren, der IC nach Halle/Saale, Abfahrt eigentlich 8:02, fällt heute ersatzlos aus. Grund sind endgültig verriegelte Türen. Für weitere Nachfragen gehen Sie zum Informationsschalter, der bis Donnerstag nicht besetzt sein wird. Nichts wird besser, sorry for the inconvenience.“
Ein Riesengeschrei und Geschnatter geht los, und natürlich fällt jetzt auch dauernd dies eine Wort.
Aber unfassbar ist doch mittlerweile all das geworden, das klappt. Was gut und richtig ist. Wenn man das weiß, ist man schon mal auf der sicheren Seite.

 
 
 
Nachtbus

Den Nachtbus,
wir nehm den Nachtbus,
noch bist du hier, noch trinkst du Bier,
ich folge dir, vielleicht zu mir,
deshalb der Nachtbus,
der durch die Nacht muss.

Der hat viel Platz, der macht’n Satz,
und gleich sind wir woanders, Schatz,
zum Gute-Nacht-Kuss.
Es war bisher so nett,
der Nachtbus fährt uns bis vors Bett …
So ein Nachtbusfahrer ist auch nicht gern allein,
er sagt: „Ein verliebtes Pärchen soll schon sein,
denn sowas macht Lust,
sonst krieg ich Nachtfrust.“

Dein Bier wird schal, dein Typ hat’n Knall,
auf Streit gepolt ist der doch jedes Mal,
und du, du red’st auch gern eine halbe Nacht Stuss
ich weiß, wenn du‘s machen willst, machst du‘s.
Hauptsache, du passt auf unser’n Bus auf –
letzten Sonntag war ich einfach nicht gut drauf,
als ich dich im Taxi wegfahr‘n sah,
und mir blieb der ‚zu-Fuß-allein-nachhaus-morgens-um-acht-Blues‘.

Da, unser Nachtbus,
gib deinem Typ ’n Kuss und lauf,
ich wink dem Fahrer und ich halt ihn auf – geschafft!
Wie immer sitz ich neben dir auf dieser kleinen Strecke,
hätten wir den jetzt nicht gekriegt, wir kriegten keinen mehr.
Und wie jedesmal holst du an diesem Punkt dein dope raus,
riecht gut, ich sprech dir ‘n Lob aus,
riecht echt gut, sieht wie‘n Biotop aus …

Und draußen wird es wieder hell,
die Zeit ist einfach immer außen und zu schnell,
der Nachtbusfahrer schlüpft jetzt in ein dickeres Fell,
begrüßt die Ablösung und macht Schluss,
schau mal: der sieht wie’n Bergmann aus, der gleich in seinen Schacht muss.
Sind wir so nicht alle?
Auch du schlaffst weg ohne Gut-Nacht-Gruß –
ich steig jetzt aus.
Dann bis zum nächsten Mal, im nächsten Nachtbus.

 
 
 
In der kalten Nacht

Sie kamen nie dahinter,
sah’n uns nur von vorn
und im Licht,
im Sommer wie im Winter
versteckten wir den Zorn
in der Pflicht,
wir war’n ein Teil Maschine,
doch galt, was wir uns schworen:
keiner geht verlor’n!

In der kalten Nacht
zu uns selber erwacht
kam uns diese Kraft an.
Es hob sich das Dach,
nie sonst war’n wir so wach.
Und der Tanz begann.

Sie kamen nie dahinter,
wir standen freundlich da,
nächsten Tag,
die Teile eines Uhrwerks,
Figur’n am Zifferblatt,
die man mag.
Sie spürten die Verwandlung,
ahnten das, was wir schworen –
keiner geht verlor’n.

In der kalten Nacht
zu uns selber erwacht
kam uns diese Kraft an.
Es hob sich das Dach,
nie sonst war’n wir so wach.
Und die Jagd begann.

In der kalten Nacht
zu uns selber erwacht
kam zu uns die Kraft,
die Unmögliches schafft.
Gaben nicht mehr nach,
nichts an uns war noch schwach.
Und die Jagd begann.

In der kalten Nacht
zu uns selber erwacht
kommt uns diese Kraft an.
Es hebt sich das Dach,
nie sonst sind wir so wach.
Und was wird, wird werden …

(für Stern Meißen)

 
 
 
Doch

Lang hab ichs umgangen,
wollte nicht darin gefangen sein,
aber neuerdings sind viele plötzlich fort,
die nah bei mir,
„gegangen“ sagt man,
dass ich fragen will:
gingt ihr wo hin?
Wenn etwas übrigblieb:
liegt da ein Sinn darin?
Wenn Blumen sterben, atmet man den Duft noch kurz,
dann ist das schnurz.
Robbie, Sinead, Ralf,
in einer Spanne von zwölf Tagen.
Darf ich fragen, wo ihr seid.
Werds nicht hören sagen,
so wie ich gestrickt bin, noch.